Im BlickfeldFinancial Action Task Force (FATF)

Wenn Autokraten Regulierung gegen Geldwäsche missbrauchen

Was die Financial Action Task Force (FATF) in Sachen Geldwäschebekämpfung beschließt, wird von Staaten und Banken beherzigt. Doch die Regeln des globalen Standardsetzers werden gerne von autoritären Regierungen absichtlich missinterpretiert und so umgesetzt, dass sie zur Unterdrückung von Kritikern eingesetzt werden können.

Wenn Autokraten Regulierung gegen Geldwäsche missbrauchen

Wenn Autokraten Regulierung gegen Geldwäsche missbrauchen

Im Kampf gegen Geldwäsche gelten die Standards der Financial Action Task Force.
Die Organisation überarbeitet ihre Regeln, um die Zivilgesellschaft besser zu schützen.

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Rufmord und Fingieren von Straftaten, Einfrieren von Bankkonten und Überziehen mit Terrorhilfevorwürfen: Das sind beliebte Methoden, derer sich Autokraten weltweit unter dem Deckmäntelchen der vermeintlichen Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung bedienen, um gegen unliebsame zivilgesellschaftliche Gruppen und Personen vorzugehen.

Empfehlungen mit Gesetzeskraft

Sie missbrauchen dabei die Regeln der Financial Action Task Force (FATF), einer einflussreichen, weltumspannenden Organisation, die sich den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismus- und Proliferationsfinanzierung zur Aufgabe gemacht hat und deren Standards alle regulierten Finanzinstitute einzuhalten haben. Fast alle Staaten haben sich verpflichtet, die FATF-Standards umzusetzen. Ihre insgesamt 40 sogenannten Empfehlungen haben zwar genau genommen keine verbindliche Wirkung, tatsächlich werden sie international aber anerkannt. So entfalten sie etwa in der EU über europäische Geldwäscherichtlinien und nationale Gesetze Rechtskraft.

In einer Zeit, in der die Demokratie weltweit ins Hintertreffen gerät, geben Organisationen wie die FATF ungewollt böswilligen Staaten Werkzeuge in die Hand, um Demokratie und offene Gesellschaft zu unterdrücken.

Stephen Reimer, Associate Fellow am Centre for Finance and Security des Forschungsinstituts Royal United Services Institute (Rusi)

„Weaponisation“ der FATF-Standards

Von „Weaponisation“, der Umwandlung der FATF-Standards zur Waffe, spricht Stephen Reimer, der sich der Thematik als Associate Fellow am Centre for Finance and Security des britischen Forschungsinstituts Royal United Services Institute (Rusi) annimmt. Es zeige sich ein Trend, dass jene Standards, die Finanzsysteme, Ökonomien und Gesellschaften vor den Taten Krimineller schützen sollten, nachweislich missbraucht würden. „In einer Zeit, in der die Demokratie weltweit ins Hintertreffen gerät, geben Organisationen wie die FATF ungewollt böswilligen Staaten Werkzeuge in die Hand, um Demokratie und offene Gesellschaft zu unterdrücken“, sagt Reimer zur Börsen-Zeitung.

Terrorvorwürfe oft bemüht

Er und ein Projektteam haben unter anderem 126 Fälle autoritären Missbrauchs in 34 Ländern untersucht, die auf die Jahre 2013 bis 2023 zurückgehen. Beispiele fänden sich über den ganzen Globus verstreut, mit den immer gleichen Taktiken. Besonders oft bemühen Regierungen demnach eine Norm, die gemeinnützige Organisationen davor bewahren soll, unwissentlich zur Terrorismusfinanzierung genutzt zu werden.

Als ein Beispiel von vielen gilt Nicaragua, das 2022 unter dem Vorwand, entsprechende FATF-Standards einzuhalten, zivilgesellschaftliche Organisationen ausschaltete, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzten. Auch etwa in Indien würden regierungskritische Journalisten und Menschenrechtsaktivisten mit Vorwürfen überzogen, terroristische Aktivitäten in Kaschmir zu finanzieren.

FIU sammelt Daten über Gegner

Eine andere übliche Methode ist, die zentrale Meldestelle für Geldwäsche-Verdachtsmeldungen zu vereinnahmen, um finanzielle Daten über Gegner zu sammeln und fingierte, politisch motivierte Untersuchungen wegen vermeintlicher Geldwäsche oder Terrorfinanzierung einzuleiten. Jeder Staat ist von der FATF angehalten, eine solche Financial Intelligence Unit (FIU) zu schaffen, die operativ unabhängig sein soll. Nur ist das in der Praxis eben nicht immer so. Reimer führt als ein Beispiel die FIU eines nicht näher genannten ostafrikanischen Landes an, die eine Bank anwies, Kontodaten von 13 als staatskritisch eingestuften Nichtregierungsorganisationen herauszurücken.

Assets eingefroren

Auch das Einfrieren von Vermögenswerten und Unterbinden von Zahlungen gehören zum Instrumentenkasten von Regimen. Die FATF gewährt die Möglichkeit, bei Verdacht auf schmutzige Geschäfte Transaktionen zu stoppen, um den Behörden die Möglichkeit zu geben, den Sachverhalt zu untersuchen. Reimer beobachtet, dass diese niedrige Schwelle, nämlich der bloße Verdacht, dass Konten oder Vermögenswerte in Finanzkriminalität verwickelt sind, „für autoritären Missbrauch geradezu prädestiniert“ sei, könnten Vorwürfe doch erfunden werden.

FATF versucht, Schutz der Zivilgesellschaft zu erhöhen

Die FATF ist sich des Problems gewahr und hat nach eigenen Angaben Ende vergangenen Jahres infolge eines noch unter dem deutschen Präsidenten Marcus Pleyer (2020 bis 2022) angestoßenen Projekts die Standards überarbeitet, um gemeinnützige Organisationen besser zu schützen. Diese verwiesen zudem auf Menschenrechte und Grundprinzipien des nationalen Rechts.

„Die Überarbeitung soll sicherstellen, dass die Maßnahmen zum Schutz des gemeinnützigen Sektors vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zielgerichtet und verhältnismäßig sind und dass die Regierungen die Zivilgesellschaft nicht durch eine übermäßige Anwendung der FATF-Standards unterdrücken“, sagt eine FATF-Sprecherin auf Anfrage. Gestärkt werden solle zudem die Fähigkeit, Länder bei missbräuchlicher Anwendung zur Verantwortung zu ziehen, kündigte sie an.

Berücksichtigung in Länderprüfungen

Ob die FATF-Standards in den einzelnen Staaten umgesetzt werden und wie effektiv sie wirken, schauen sich die Regulierer in aufwendigen Länderprüfungen an. Im Zuge dessen würden sich die Prüfer auch mit zivilgesellschaftlichen Akteuren treffen, so die Sprecherin weiter, um sicherzustellen, dass möglicher Missbrauch der Regeln offenbar und auch in der Bewertung der Umsetzung der Standards durch die Länder berücksichtigt werde. 

Kostspielige Regelbrüche

Staaten haben in der Regel den Anreiz, den FATF-Standards zumindest formell zu genügen, müssen sie doch befürchten, andernfalls auf einer grauen oder gar schwarzen Liste zu landen. Das beschädigt nämlich nicht nur den Ruf des Landes, sondern kann auch die ökonomischen Kosten erhöhen, da sich beispielsweise grenzüberschreitende Transaktionen aufgrund verschärfter Sorgfaltspflichten verteuern, Korrespondenzbanken sich zurückziehen, Risikoprämien steigen und Investoren sich zurückhalten. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) sind im Schnitt Kapitalzuflüsse um 7,6% und ausländische Direktinvestitionen um 3% gesunken, nachdem ein Land auf die graue Liste der FATF gesetzt worden war.

Deutschland war zuletzt 2020 bis 2022, während der Coronakrise, von der FATF geprüft worden. Das mäßige Abschneiden hat die Bundesregierung veranlasst, unter anderem das Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität zu schaffen, das entsprechende Aktivitäten wie Analyse und Ermittlung unter einem Dach zusammenführt und koordiniert und so den Kampf gegen Geldwäsche schlagkräftiger machen soll.

Vorschlag für Ombudsperson

Rusi-Forscher Reimer hält der seit Juli amtierenden FATF-Präsidentin Elisa de Anda Madrazo zugute, alles zu unternehmen, um staatlichem Missbrauch der Regeln entgegenzuwirken. „Sie ist nicht nur sehr beliebt, sondern auch dafür bekannt, dass sie die Menschenrechtsagenda der FATF vorantreibt.“ Allerdings verfüge sie nicht über Exekutivbefugnisse, sondern Entscheidungen würden von den Mitgliedstaaten getroffen. Reimer schlägt vor, dass die FATF eine Ombudsperson ernennt, an die sich Opfer wenden können und die Berichte und Empfehlungen vorlegen kann.

Außerdem müsse Missbrauch der Standards Folgen in Form von schlechten Noten der FATF bei Länderprüfungen nach sich ziehen. Noch aber könne ein Land zum Beispiel gute Bewertungen für die Wirksamkeit der FIU gegen Finanzkriminalität erhalten, „auch wenn dieselbe Institution vom Staat gekapert wird, um Finanzinformationen über Journalisten oder Oppositionelle als Teil einer Verleumdungs- oder Einschüchterungskampagne zu sammeln“.

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