Nachhaltigkeit

Wenn die Tochter zum Sorgenkind wird

Die DWS muss draußen bleiben: Als auf EU-Ebene der European Financial Reporting Advisory Group eine Vakanz in Nachhaltigkeits-Gremien zu füllen war, sträubten sich die Verantwortlichen gegen die Ernennung einer mit der DWS verbundenen Person.

Wenn die Tochter zum Sorgenkind wird

Die DWS muss draußen bleiben: Als neulich auf Ebene der European Financial Reporting Advisory Group eine Vakanz in den Reihen der die EU zu Nachhaltigkeits-Berichtspflichten beratenden Gremien zu füllen war, da sträubten sich die Verantwortlichen, wie es eine mit der Situation vertraute Person schildert, gegen die Ernennung einer mit der DWS verbundenen Person: Zu groß schien ihnen offenbar das Risiko, der Reputationsverlust, den die Fondstochter der Deutschen Bank im Zuge der Vorwürfe wegen Greenwashing erlitten hat, werde auf den Ruf des nicht gewinnorientierten Vereins abfärben. Andernorts werden solche Bedenken als übertrieben dargestellt.

Von Stabilisierung überzeugt

Dort wird der Rufschaden etwa relativiert mit dem Verweis auf Insiderhandel durch einen Fondsmanager von Union Investment sowie das Structured-Alpha-Debakel von Allianz Global Investors, verbunden mit der These, das öffentliche Echo auf diese Affären wäre jeweils deutlich größer gewesen, hätten sie sich unter dem Dach der DWS ereignet. Klaus Biermann, Gründer des auf Private Banking und Wealth Management spezialisierten Headhunter-Hauses Biermann Neff, sieht die DWS, aber auch die Deutsche Bank, im Aufwind. Er beobachte, dass das Momentum mit Blick auf beide Gesellschaften „eher positiver“ werde, „auch in einem sehr schwierigen Kandidatenmarkt“, sagt er. So habe die DWS mit der Berufung von DWS-Chef Stefan Hoops mit alten Strukturen final und endlich abgeschlossen. Hoops sei „ein absoluter Winner“, sagt Biermann: „Ich bin überzeugt, dass die Situation sich weiter stabilisiert.“ Die Bank macht eigenen Angaben zufolge keinen Effekt der Greenwashing-Vorwürfe auf die Personal-Akquise aus: „Wir spüren keine Auswirkungen, sondern bekommen auf Ausschreibungen erstklassige Bewerbungen“, heißt es auf Anfrage.

Fest steht: Rund anderthalb Jahre nachdem erstmals Vorwürfe des Greenwashing gegen die DWS erhoben wurden, und rund drei Monate nachdem eine Razzia im Hause das Ende von DWS-Chef Asoka Wöhrmann einläutete, ist die Affäre nach wie vor präsent. Selbst wenn die Ermittlungen enden sollten wie das Hornberger Schießen, bestätigt sich wieder einmal der aus der Marktforschung bekannte Lehrsatz, wonach es nur einen Tag braucht, um ein Image zu zerstören, wohl aber zehn Jahre, um es wieder aufzubauen.

Wichtiges Vertriebsthema

Die ESG-Reputation der DWS leidet zu einem Zeitpunkt, zu dem im Vertrieb mit Nachhaltigkeit alles zu stehen und zu fallen scheint. Dies wiederum ist potenziell ein Problem auch für die Deutsche Bank – zwar agiert die Fondstochter als eigenständige börsennotierte Gesellschaft; in der öffentlichen Wahrnehmung aber wird sie sehr stark mit der Mutter assoziiert, zumal wenn Wöhrmanns Nachfolger wie selbstverständlich aus den Reihen der Deutschen Bank rekrutiert wurde. In der Bank ist man sich im Klaren darüber, dass der Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) die einzige Disziplin im Bankgeschäft darstellt, in der europäische Banken gegenüber Wettbewerbern aus den USA strategisch noch einen Vorsprung genießen.

Was aber bedeutet die Affäre für die Deutsche Bank und ihre Position in Sachen ESG? Tatsächlich steht das Haus bei weitem nicht so schlecht da, wie die Vorwürfe gegen seine Fondstochter es vermuten ließen, allerdings auch lange nicht so gut, wie es sich selbst gerne darstellt, sondern: eher mittelmäßig. Dies birgt Fallhöhe nicht zuletzt für Konzernchef Christian Sewing, der ESG zur Chefsache auserkoren und die Leitung des Nachhaltigkeitsrates der Bank übernommen hat.

Zwar haben die Nachhaltigkeitsanstrengungen im Konzern in den vergangenen drei Jahren zweifelsohne beträchtlich an Dynamik gewonnen. Richtig ist aber auch, dass sich andere Häuser schon in der Disziplin ESG übten, als in der Deutschen Bank die Neuausrichtung der Konzernstrategie noch mächtig Ressourcen band.

Dies hat sich unter anderem in der externen Kommunikation niedergeschlagen. Als etwa Zielke Research vor einigen Monaten eine Auswertung der Nachhaltigkeitsberichterstattung von 110 deutschen Kreditinstituten mit jeweils mehr als 5 Mrd. Euro Bilanzsumme präsentierte, da lag die Commerzbank ganz vorne; die Deutsche Bank hingegen belegte Rang 21 von 110 Plätzen. Nicht nur dort hinkt das Haus hinterher: Was den Ausschluss von Kohleminen, -fabriken und entsprechenden Infrastrukturprojekten angeht, kommen zum Beispiel die Großbanken Frankreichs, das den Abschied vom fossilen Zeitalter zur Staatsräson erklärt hat, laut einer Analyse der Nichtregierungsorganisation Reclaim Finance auf die maximale Zahl von zehn Punkten, die Deutsche Bank auf acht. Für die Qualität etwaiger Verpflichtungen zum Rückzug aus Kohlenengagements be­kommt die größte deutsche Bank dabei, wie ihre Fondstochter, den Wert null.

Kleinerer CO2-Fußabdruck

Im März dieses Jahres informierte die Bank zwar erstmals über die von ihr per Ende 2021 finanzierten Treibhausgas-Emissionen von 30,8 Mill. Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr und kündigte bis Jahresende umfassende Angaben „über die finanzierten Emissionen und ihre spezifischen Dekarbonisierungsziele für einzelne Branchen“ an. Andernorts allerdings wird man auch in dieser Hinsicht schon konkreter. So teilte die LBBW jüngst mit, sie habe den Fußabdruck ihres Kreditportfolios um 3% im vergangenen Jahr auf 13,3 Mill. Tonnen CO2-Äquivalente reduziert, obwohl das Exposure durch das Geschäftswachstum zugleich um 6 % gestiegen sei. Die mittlere Emissionsintensität sei damit von 53 auf 48 Tonnen CO2-Äquivalente pro Million Euro Kreditvolumen gesunken. Die Deutsche Bank legt auf Anfrage vergleichbare Daten nicht vor und kündigt diese für Mai kommenden Jahres an.

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

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