Bundesanleihen

Wieder im Keller

Die Bundrenditen sind wieder im Keller angekommen. Die Käufe der Notenbanken und die Erwartung einer nur tempo­rären Inflation stehen dahinter.

Wieder im Keller

Die Staatsanleiherenditen in der Eurozone, allen voran bei Bundesanleihen, sind wieder im Keller angekommen. Vorbei sind die Zeiten, als die zehnjährige Bundrendite im Verlauf des ersten Halbjahres über minus 0,10% gestiegen war und die Nulllinie in Griffweite schien. Am langen Marktende, d. h. bei den 30-jährigen Bundesanleihen, konnte zeitweise schon wieder ein knappes halbes Prozent positive Rendite eingestrichen werden. Nun liegt die gesamte Bundrenditestrukturkurve wieder komplett im Minus, von einzelnen Tagen, an denen die 30-jährige Rendite mit ein, zwei Basispunkten um die Nulllinie oszilliert, mal abgesehen. Auch in der Eurozonenperipherie sind die Renditen wieder enorm zurückgekommen.

Verschiedene Gründe sind für diesen Renditeabstieg verantwortlich, der insbesondere im Juli Fahrt aufnahm. Da ist zum einen die Sorge der Anleger vor der derzeit grassierenden Delta-Variante des Coronavirus. In manchen Ländern gibt es deshalb schon wieder Reisebeschränkungen und andere Vorsichtsmaßnahmen. Viele Investoren befürchten, dass es durch die Delta-Variante und womöglich noch andere Virusmutationen zur erheblichen Verschärfung der Pandemieent­wicklung kommt und Gesellschaft und Wirtschaft infolge von abermaligen Lockdowns erneut lahmgelegt werden könnten mit entsprechenden Auswirkungen in Form von Lieferengpässen, geschlossenen Geschäften bzw. heruntergefahrenen betrieblichen Aktivitäten. Das Wachstum würde sich abschwächen, und die Regierungen und Zentralbanken wären nochmals gefordert, der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Mit anderen Worten: Großangelegte Kaufprogramme der Zentralbanken – allen voran der Fed und der EZB – könnten noch länger aktiv bleiben, als das heute ohnehin schon am Markt erwartet wird. EZB-Chefin Lagarde hat mehrfach betont, wie wichtig es ist, in diesem wirtschaftlichen Umfeld die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und andere Institutionen auf günstigen Niveaus zu halten. Eine schnelle Abkehr ist nicht zu erwarten – auch nicht bei einer Entspannung der Situation. Die Zentralbanken werden also weiter Anleihen kaufen, wie etwa Staatsanleihen, Agencies, MBS etc. Das hält die Renditen der Anleihen per se niedrig, ist dies doch exakt das erklärte Ziel der Notenbanker. Hinzu kommen die Käufe von Anlegern, die ihr Heil in den sicheren Häfen suchen und diese bei Bundesanleihen finden.

Zum anderen glauben viele Anleger nicht mehr an die große Reflationierung der Wirtschaft. Zu Beginn des Jahres sah das völlig anders aus. Weite Anlegerkreise waren davon ausgegangen, dass die Wirtschaftsprogramme der Staaten, Kaufprogramme der Notenbanken und Nachholeffekte der Bevölkerung sowie Investitionen der Firmen dazu führen, dass die Teuerung spürbar zunimmt. Es wurde am Markt davon ausgegangen, dass die Inflationsanstiege die Notenbanken über kurz oder lang dazu zwingen, auf einen restriktiveren Kurs in der Geldpolitik einzuschwenken, also die Kaufprogramme volumenmäßig zu reduzieren und absehbar dann auch die Leitzinsen zu erhöhen. Dafür positionierten sich Marktteilnehmer mit dem Reflation Trade, der die Bondmärkte über Wochen dominierte. Das Ergebnis waren die gestiegenen Bond­renditen. Dieser Trade ist spätestens jetzt ausgelaufen und entfaltet somit auch keine renditesteigernde Wirkung mehr.

Hinzu kommt eine weitere Triebfeder in dieser Gemengelage. Die höheren Renditen haben natürlich auch Real Money Accounts wie etwa Pensionsfonds und Versicherer, aber auch Banken auf den Plan gerufen. Denn lange Zeit konnten sie keine positiven Renditen im längeren Laufzeitenbereich mehr einstreichen. Das wurde mit Sätzen von 0,30% und 0,40% bei den 30-jährigen Bundesanleihen offenkundig anders. Diese Adressen haben dann auch zugegriffen und sich positive laufende Renditen in ihren Portfolios gesichert. Mit dem Drehen der Renditebewegung hat dieser Kaufprozess dann noch mal Fahrt aufgenommen. Das drückte die Renditen der Bundespapiere immer weiter nach unten. Die Dynamik der Bewegung, die sich somit auch ein Stück weit selbst anheizte, nahm zu. Und schließlich griffen sie auch in der Peripherie zu, da hier immer noch etwas mehr an Rendite festgezurrt werden konnte.

Ihr Übriges tut die Sommerpause. Es gibt praktisch kein neues Bondmaterial aufgrund der urlaubsbedingten Abwesenheit vieler Anleger. Die vorhandene Nachfrage trifft damit auf ein konstantes Angebot, kann also nicht auf den Primärmarkt ausweichen. Das drückt ebenfalls die Renditen und das in einem urlaubsbedingt umsatzarmen Geschäft. Da kann der Markt noch viel schneller als sonst in eine Richtung gedrückt werden.