Notiert inSchanghai

Winterfreuden auf Wachstumskurs

Chinas Wrtschaftsplaner fiebern der Wintersaison entgegen. Schnee und Eis sollen den Konsum anheizen.

Winterfreuden auf Wachstumskurs

NOTIERT IN SCHANGHAI

Winterfreuden auf Wachstumskurs

Von Norbert Hellmann

Ankömmlinge im Bereich Z am Frankfurter Flughafen werden auf der Rolltreppe zur Gepäckausgabe als Allererstes federweich auf Chinesisch begrüßt. Eine unübersehbar dimensionierte Werbetafel des Wintermodekonzerns Bosideng heißt sie mit riesigen Schriftzeichen willkommen. Ist es eine Art friendly reminder, dass man mit der Bosideng-Daunenjacke schick und gut gerüstet im kalten Deutschland aufschlagen sollte oder selbige dort überall erwerben kann? Nein, es geht mehr um eine chinesische Werbemasche, die beim heimischen Publikum Eindruck schindet. Wenn ein vertrauter Markenname in einem prestigereichen Kontext im Ausland aufpoppt, verheißt das Internationalität. Dafür mietet man gerne einen besonders teuren Werbeplatz. So etwas wurde auch mit rein chinesischer Bandenwerbung bei der Fußball-Europameisterschaft praktiziert.

Schnee und Eis laufen heiß

Bosideng-Jacken sind anders als BYD-Elektroautos kein chinesischer Exportschlager, aber ein Produkt, das sinnbildlich für Chinas „Snow and Ice Economy“ steht. Es geht um High-End-Konsum und Reiseaktivitäten mit einem Wintermotiv. Das wird von Pekings Wirtschaftsplanern als vielversprechender Ansatz für die Anregung der insgesamt eher schwächelnden Konsumkonjunktur verstanden. Der Begriff Snow and Ice Economy ist bürokratisch-statistisch klar erfasst, abgegrenzt und mit konkreten Zahlen unterlegt. Für das Jahr 2024 wird der Markt auf einen Wert von 970 Mrd. Yuan (etwa 130 Mrd. Euro) beziffert. Die präzisen Vorgaben der zuständigen Planungskommission sehen einen Anstieg auf 1,2 Bill. Yuan im Jahr 2027 und 1,5 Bill. Yuan im Jahr 2030 vor.

In der Daune liegt die Kraft

Chinas Winter Economy ist also dazu auserkoren, rascher zu wachsen als der Rest der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft. Tatsächlich herrschen für sie andere Gesetze. Man kennt keine Nachfrageschwäche und Deflationsprobleme, sondern reißenden Absatz und preistreibende Angebotsknappheit. Daunenjacken sind ein beredtes Beispiel. Bei der China Feather and Down Industrial Association weiß man, woran es liegt. Chinesen konsumieren weniger branchenrelevantes Geflügel. Im Jahr 2024 ließen 4,2 Milliarden Enten und gut 500 Millionen Gänse ihre Federn, bevor sie verspeist wurden. Vor der Pandemie lieferten noch mehr als 5,5 Milliarden Tiere passendes Rupfmaterial.

Harbin ist der Hingucker

Hochwertige Wintermode will entsprechend präsentiert werden. Harbin, die reizvolle, aber saumäßig kalte Hauptstadt der an Sibirien angrenzenden Provinz Heilongjiang ist zum Mekka des chinesischen Wintertourismus avanciert. Das liegt zum einen an der bombastischen jährlichen Eisskulpturen-Show, die in Sachen bildhauerischer Artistik wie auch Affinität zum Niedlichkeits-Kitsch ihresgleichen sucht. Zum anderen am extrem positiven Image, das den Stadtbewohnern als Chinas freundlichste und warmherzigste Zeitgenossen anhaftet. Der vielleicht weltgrößte Schneemann am Stadtportal sorgt dafür, dass es auch wirklich alle mitbekommen.

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