Zerren auf der letzten Meile
Bundestagswahl
Zerren auf
der letzten Meile
Von Angela Wefers
Es ist schon paradox. Friedrich Merz (CDU), Oppositionsführer mit guten Chancen auf den Chefposten in der nächsten Bundesregierung, hat Erwartungen auf eine Kooperation mit der rot-grünen Minderheitsregierung weitgehend abgeblasen. Am selben Tag billigte das Bundeskabinett eine ganze Reihe von Regierungsentwürfen, die zuvor Wochen und Monate nicht vorankamen – darunter das von der Finanzbranche ersehnte Zukunftsfinanzierungsgesetz II. Es enthält vielfältige bürokratische Erleichterungen und die Hoffnung, dass privates Kapital steuer- und aufsichtsrechtlich sicher seinen Weg in Infrastrukturinvestitionen und den Ausbau erneuerbarer Energien findet.
Das eine wie das andere Verhalten ist schon Wahlkampf. Rot-grün demonstriert Handlungswillen, kann aber nicht verbergen, dass auch die reduzierte Ampel unter Konflikten leidet. Neben dem Zukunftsfinanzierungsgesetz II beschloss das Kabinett zwar auch ein erleichtertes Vergaberecht sowie das Tariftreuegesetz zur Stärkung der Tarifbindung. Keine Anstalten macht die Regierung bislang aber, die Doppelbelastung des deutschen und europäischen Lieferkettengesetzes aus dem Weg zu räumen, wie es Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) für das Jahressende versprochen hatte. Zuständig ist die SPD mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.
Die Union will kaum der rot-grünen Rumpfregierung noch zu Erfolgen verhelfen, an denen die Ampel zuvor wegen Selbstblockade gescheitert ist. Ohne einen Bundeshaushalt für das nächste Jahr – für den nicht einmal ein belastbarer Entwurf vorliegt – fehlt auch der finanzielle Überblick. Der Terminkalender ist zudem eng. Nach dem Bruch der Ampel hat der Bundestag die meisten Sitzungswochen gestrichen. Für eine geordnete Gesetzgebung sind neben dem Plenum Ausschussberatungen, womöglich öffentliche Anhörungen und ein Bundesratsbeschluss nötig. Es wäre eine Illusion zu glauben, mitten im Wahlkampf könnten die Fraktionen rein inhaltlich entscheiden. Regierungspolitik wird nach einer Wahl gemacht, nicht davor.