Volkswagen

Zuversicht und Zweifel

Der VW-Konzern überzeugt mit einem soliden Ergebnis im ersten Halbjahr. Der Zuversicht stehen nach dem Abgang von Vorstandschef Herbert Diess jedoch Zweifel bei Führung und Strategie entgegen.

Zuversicht und Zweifel

Noch vor einem Monat erläuterte Herbert Diess in einer Betriebsversammlung umfassend und mit viel Zuversicht Lage und Aussichten von Volkswagen. Der Konzern habe die richtige Strategie, die ihn darauf vorbereite, neue Umsätze in der neuen Welt der Mobilität zu generieren, und die ihn auch gegen den neuen Wettbewerb bestehen lassen werde. Keiner der traditionellen Konkurrenten treibe seine Transformation so konsequent voran wie Volkswagen, bei der Elektrifizierung habe man fünf Jahre Vorsprung auf andere Autohersteller.

Die Beschäftigten hörten von ihm weiter, der Konzern verdiene trotz Halbleitermangels und stockender Lieferketten, trotz geringerer Auslieferungen so viel wie nie – gemeint war das erste Quartal. In der zweiten Jahreshälfte entspanne sich die Versorgungslage,  Volkswagen werde die Volumen hochfahren – in Deutschland, vor allem aber auch in China. Die Prognosen bis Ende Dezember seien positiv.

So ähnlich hätte sich Diess wohl auch am Donnerstag bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen im Gespräch mit Analysten und Medienvertretern geäußert. Doch das ging für ihn nicht mehr – nicht nach der abrupten Abberufung als Konzernchef vor Wochenfrist per Ende August. Dabei hätte er auch für das zweite Quartal solide Ergebniszahlen im Konzern verkünden können. Neben dem Börsenkandidaten Porsche, der im zweiten Quartal mit einer operative Marge von mehr als 20% glänzte, hätte Diess unter anderem auf Fortschritte bei der lange Zeit margenschwachen Kernmarke verweisen können, deren CEO er bis Mitte 2020 war. So schaffte Volkswagen Pkw zuletzt eine Umsatzrendite von 7,3% – mehr als jene 6%, die als Zwischenziel im Gesamtjahr 2023 erreicht werden sollen.

Auch wenn der VW-Konzern anders als Wettbewerber sein Margenziel für das laufende Geschäftsjahr nicht angehoben hat, waren die Vorzüge am Donnerstag größter Tagesgewinner im Dax. Doch die Unsicherheiten sind groß, nicht nur, weil sich die weiteren Auswirkungen der Pandemie oder des Kriegs in der Ukraine auf Lieferketten, Konjunktur und die Energieversorgung nicht genau abschätzen lassen. Wie der Konzern und die bis Jahresende an die Börse strebende Sportwagentochter Porsche von Oliver Blume in Personalunion auf Dauer mit potenziellen Interessenkonflikten zu führen sind, treibt Investoren zu Recht um. Und inwieweit mit dem Chefwechsel strategische Änderungen einhergehen, um zum Beispiel Zweifeln am Weg zum Ausbau der Softwarekompetenz zu begegnen, ist auch offen.

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