„Sehr starke Goldnachfrage der Zentralbanken“
Im Interview: Louise Street
„Sehr starke Goldnachfrage der Zentralbanken“
Analystin des World Gold Council: Großes Investoreninteresse hat Edelmetall auf Rekordhoch getrieben – ETF bauen Goldbestände auf
Vor dem Hintergrund des aktuell auf einem Rekordhoch von mehr als 2.845 Dollar je Feinunze befindlichen Goldpreises erläutert Louise Street, leitende Analystin des Branchenverbands World Gold Council, was derzeit die Nachfrage nach dem Edelmetall und die Rally auf dem Goldmarkt antreibt.
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Frau Street, wie hat sich die Goldnachfrage 2024 entwickelt?
Was die gesamte weltweite Nachfrage betrifft, so haben wir im vergangenen Jahr einen neuen Rekord von fast 5.000 Tonnen gesehen, nämlich genau 4.974 Tonnen. Da es 2024 Rekorde beim Goldpreis gegeben hat, wurde natürlich auch wertmäßig ein Nachfragerekord von mehr als 380 Mrd. Dollar verzeichnet.
Was sind im vergangenen Jahr denn die wesentlichen Treiber der Goldnachfrage gewesen?
Nun, wir haben unter anderem eine sehr starke Nachfrage der Zentralbanken gesehen, die das dritte Jahr in Folge mehr als 1.000 Tonnen gekauft haben, nämlich 1.045 Tonnen, wobei sie im vierten Quartal die Käufe mit insgesamt 333 Tonnen noch einmal deutlich aufgedreht haben. Es gab aber auch eine bedeutende Nachfrage von Investoren, was unter anderem die Exchange-Traded Funds (ETF) betrifft. Es ist ein durchaus ermutigendes Zeichen, dass auch in den westlichen Ländern insbesondere im zweiten Halbjahr die ETF-Investoren in den Goldmarkt zurückgekehrt sind. Wir sehen aber auch nachhaltige und wachsende Zuflüsse in die in Asien gelisteten ETFs, die am Markt für Gold-ETFs einen steigenden Anteil haben. Hinzu kommt eine relativ konstant hohe Nachfrage nach Barren und Münzen von insgesamt 1.186 Tonnen. Dabei gab es aber ein Phänomen, das in diesem Segment des Marktes oft zu beobachten ist, nämlich eine unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Regionen.
Inwiefern?
Nehmen wir beispielsweise die Reaktionen der Käufer von Barren und Münzen auf steigende Preise. Im Nahen Osten und in Asien reagieren die Investoren in diesem Segment mit Käufen auf steigende Preise, während es in den USA und Europa tendenziell Gewinnmitnahmen gibt, sodass es im Westen eine rückläufige Nachfrage nach Barren und Münzen gegeben hat.
Wie hat denn die ebenfalls stets bedeutende Schmucknachfrage auf den Preisanstieg reagiert?
Bei einem hohen und steigenden Goldpreis gibt es in dieser Käufergruppe natürlich Restriktionen mit Blick auf die Erschwinglichkeit von Goldschmuck. Insofern ging die Schmucknachfrage 2024 mengenmäßig um 11% zurück. Wegen des hohen Goldpreises ergibt sich aber wertmäßig einen Rekord der Schmucknachfrage von 144 Mrd. Dollar. Ferner hat es noch einen Anstieg der Nachfrage aus dem Technologiesektor um 7% auf 326 Tonnen gegeben, angetrieben von dem Boom im Bereich der künstlichen Intelligenz. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Nachfrage aus diesen Sektor 2023 ziemlich schwach war, sodass man hier im Prinzip lediglich von einer Rückkehr zur Normalität sprechen kann.
Was sind für Goldschmuck die wichtigsten Märkte?
Die beiden großen nationalen Märkte sind nach wie vor China und Indien. In China hat die Schmucknachfrage unter den schwächeren konjunkturellen Bedingungen und dem hohen Goldpreis gelitten. In Indien gab es hingegen eine sehr robuste Entwicklung der Nachfrage, die im zweiten Halbjahr angetrieben wurde durch eine deutliche Senkung der Abgaben auf Goldimporte. Daher ist die indische Nachfrage nach Goldschmuck 2024 nur um 2% zurückgegangen, trotz eines Anstiegs der lokalen Preise um 24%. Das stimmt uns für den indischen Schmuckmarkt zuversichtlich.
Wie hat sich das weltweite Goldangebot 2024 entwickelt?
2024 gab es auch beim Goldangebot ein Rekordniveau, mit einem Anstieg um 1% auf 4.794 Tonnen. Gemäß den ersten Schätzungen hat es offenbar auch bei der Minenproduktion ein Allzeithoch gegeben, diese Zahlen sind aber noch nicht endgültig bestätigt und daher mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, weil viele Produzenten noch nicht ihre Jahresberichte veröffentlicht haben. Wegen des hohen Goldpreises hat es zudem einen deutlichen Anstieg des Gold-Recyclings gegeben – vor allem in China, das der Haupttreiber für Gold-Recycling war.
Kommen wir kurz zurück zur Nachfrage nach Gold-ETFs, die ja, wie Sie sagten, nun im Westen wieder deutlich gestiegen ist. Was sind die Gründe für das neue Interesse von ETF-Investoren in Gold?
Es hatte über einige Jahre deutliche mengenmäßige Abflüsse aus den Gold-ETFs gegeben als Ergebnis der gestiegenen Zinsniveaus. Wenn wir uns allerdings die Assets under Management in Dollar ansehen, so blieben die in den ETFs investierten Beträge relativ konstant. Aktuell sehen wir nun ab dem Ende des ersten Quartals 2024 ohne Zweifel eine Reaktion der Investoren auf das gesunkene Zinsniveau als Ergebnis der erwarteten und dann erfolgten Leitzinssenkungen der Notenbanken. Dadurch werden die Opportunitätskosten der Haltung des sich nicht verzinsenden Goldes gegenüber verzinslichen Anleihen reduziert. Hinzu kamen aber sicherlich auch Eskalationen in einer ganzen Reihe von geopolitischen Konflikten. Eine Rolle spielten auch die amerikanischen Präsidentschaftswahlen und dabei insbesondere auch der Verzicht von Joe Biden auf eine Wiederwahl. Die mit diesen Ereignissen verbundene Unsicherheit hat das Interesse an Gold auch bei ETF-Investoren auf einem hohen Niveau gehalten. Die geopolitische Unsicherheit wird auch 2025 der Nachfrage nach Gold-ETFs Rückenwind geben. Es scheinen sich dabei einige geopolitische Konflikte zwar wegzubewegen von militärischen Auseinandersetzungen hin zu Handelskriegen, wodurch aber die Unsicherheit für die Investoren nicht geringer wird.
Spielen die Aussichten, dass die Inflation in den nächsten Jahren doch etwas höher ausfallen könnte als bislang gedacht, auch eine Rolle?
Einerseits könnte eine höher als erwartet ausfallende Inflation die Notenbanken bewegen, die Leitzinsen weniger stark als erwartet zu senken. Andererseits könnte aber eine steigende Volatilität des Zinsniveaus zur Verunsicherung der Investoren beitragen, und Handelskriege könnten natürlich für einen Anstieg der Inflation sorgen. Das dürfte den Goldpreis tendenziell stützen.
Sie haben bereits von einer starken Nachfrage der Notenbanken nach Gold gesprochen. Welche Zentralbanken sind dabei besonders auffällig gewesen?
Die Rangliste der Notenbanken der berichteten Goldkäufe wird 2024 von Polen angeführt mit insgesamt 90 Tonnen. Die polnische Notenbank hat das auch klar kommuniziert und mitgeteilt, dass sie einen Goldanteil von 20% an den Reserven anstrebt. Gekauft haben aber auch andere Notenbanken aus der Region wie Ungarn, die Tschechische Republik, Serbien und noch eine Handvoll anderer Notenbanken aus der Region. Es gab also in Osteuropa ein deutliches Interesse der Notenbanken an Gold. Indien und die Türkei haben aber auch jeweils mehr als 70 Tonnen Gold gekauft. China und Aserbaidschan waren ebenfalls aktive Käufer von Gold. Insofern stechen auch die Zentralbanken aus den Emerging Markets deutlich hervor.
Was sind die Motive der Notenbanken?
Bei den Notenbanken spiele natürlich auch die Motive eine Rolle, die andere Käufer von Gold haben, etwa dass Gold eine gute Absicherung gegen Inflation und eine sichere Wertaufbewahrung darstellt. Wie unsere Umfragen bei den Zentralbanken zeigen, hat auch die Performance von Gold in Krisenzeiten und die Abwesenheit von Ausfallrisiken eine große Bedeutung. Das sind Faktoren, die laut unseren Umfragen an Gewicht gewonnen haben.
Das Interview führte Dieter Kuckelkorn.