Teslas Schwäche ist die Chance für Volkswagen
Volkswagen
Licht am Ende des Tunnels
Von Sebastian Schmid
Rückläufige Auslieferungen, gestrichene Margenziele, Sparprogramme und verfehlte Elektrifizierungsziele: 2024 war für Volkswagen und CEO Oliver Blume ein Jahr zum Vergessen. Die Doppelrolle von Blume als Chef des Wolfsburger Autobauers und CEO der Sportwagentochter Porsche steht auch deshalb in der Kritik wie lange nicht. Die Veränderungen im Porsche-Vorstand, wo Finanzchef Lutz Meschke abtreten musste, dürften ihm allenfalls temporär Luft verschafft haben.
Absturz in China
Vor allem die langsamer als erwartet laufende Elektrifizierung in Europa und brutale Marktanteilsverluste in China könnten Blume auf die Füße fallen. Denn sowohl die Neuausrichtung in China als auch die Anpassung der Elektro-Strategie in Europa wurden von ihm eingeleitet. Floppen beide Initiativen, kann er dies schlecht auf Vorgänger Herbert Diess schieben. Der VW ID.7, der dem Unternehmen neuen Schub geben sollte, erweist sich in China als Flop. Im gesamten Januar wurden davon nur 9 Stück verkauft. Insgesamt brachen die E-Auto-Verkäufe dort um 71% ein, während der Gesamtmarkt kräftig wuchs. In Europa läuft es zwar besser. Aber nicht ausreichend, um die China-Schwäche zu kompensieren.
Volkswagen ist mit dem Problem natürlich nicht allein. Reihenweise skalieren Europas Autobauer ihre ambitionierten Elektro-Pläne zurück, kündigen Stellenstreichungen und neue Verbrennermodelle an. Die EU prüft bereits ihren Null-Emissions-Zeitplan. Experten gehen von einem Aufweichen der Ziele aus. Doch wäre das wirklich ein Rettungsanker für die Branche? Technologieoffenheit ist per se erst einmal teurer. Denn Fahrzeugentwicklung, -produktion und Software sind komplexer, wenn mehrere Antriebsarten parallel vorangetrieben werden müssen. Blume hat sich daher in der Vergangenheit mehrfach gegen ein Aufweichen der Ziele ausgesprochen.
Günstiger Einstieg erst 2027
Allerdings lässt sich nicht ignorieren, dass bei der Transformation die Kunden bislang nicht mitspielen. Auch weil es bislang an für die breite Masse bezahlbaren E-Autos mangelt. Ein elektrischer „Volkswagen“ von Volkswagen wurde gerade erst angekündigt. Doch den ID.1 für unter 20.000 Euro Startpreis wird es erst ab 2027 geben. So viel Zeit dürften die Anteilseigner Blume kaum lassen. Denn neben der Kernmarke VW Pkw müssen auch die Edelmarke Audi und die börsennotierte Sportwagentochter Porsche aus dem Tal der Tränen geführt werden.
Die Aufgabe ist mit dem Regierungswechsel in den USA noch einmal schwieriger geworden. Nach Angaben des Datenanbieters Jato Dynamics ist kein Autobauer stärker von dem Zollkrieg der US-Regierung betroffen als die VW-Gruppe. 44% ihrer in den USA verkauften Fahrzeuge stammen aus Kanada oder Mexiko. Angeblich hat der Konzern einen „umfassenden Notfallplan“. Blume dürfte bei der Bilanzvorlage am Dienstag nach Details zu diesem Plan gefragt werden – und sollte besser eine Antwort parat haben.
Tesla unter Druck
Ausgerechnet Tesla, Pionier unter den E-Autobauern, könnte den strauchelnden Wolfsburgern nun unfreiwillig unter die Arme greifen – wenn sie es denn zulassen. Denn mit seiner aktiven Rolle in der mindestens außerhalb der USA extrem unbeliebten Trump-Administration hat Elon Musk dem engstens mit ihm verknüpften E-Autobauer ein veritables Imageproblem verschafft. Das resultiert bereits in rückläufigen Verkaufszahlen. In China fällt Teslas Geschäft derzeit in sich zusammen wie ein Soufflé. Im Februar halbierte sich der Absatz auf gut 30.000 Fahrzeuge – den niedrigsten Stand seit August 2022. Zugleich wuchs der Markt um mehr als 80% und Marktführer BYD legte sogar doppelt so stark zu. In Deutschland betrug das Minus für Tesla satte 76%. In Europa waren es 49%.
Das Börsenschwergewicht wirkt bei näherer Betrachtung zunehmend wie ein Scheinriese. Und das Vakuum, das der schrumpfende E-Auto-Marktführer hinterlässt, gilt es zu füllen. Für VW-CEO Blume ist das eine unverhoffte Chance. Nach einem Jahr mit Hiobsbotschaften in Serie sorgt ausgerechnet der erbitterte Rivale Musk für Licht am Ende des Tunnels.
Nach einem miesen Jahr spricht wenig für eine baldige Erholung bei Volkswagen. Ausgerechnet Erzrivale Tesla sorgt unfreiwillig für einen Lichtblick.