Bundesbanker warnt vor Kapitalknappheit
Transformationsfinanzierung
Banken droht Kapitalknappheit
Bankenaufseher Joachim Würmeling: „Je später die Transformation anläuft, desto teurer wird sie“
Philipp Habdank, Frankfurt
Europa steht vor einer großen Herausforderung, die zu einem handfesten Finanzierungsproblem werden kann: der nachhaltigen und digitalen Transformation. Allein in Deutschland dürften dazu bis 2045 jährlich schätzungsweise rund 500 Mrd. Euro an Investitionen nötig sein. Wer soll das finanzieren? Um diese Frage drehte sich diese Woche in Frankfurt an der Goethe Universität eine gemeinsame Veranstaltung vom Center for Finanical Studies (CFS) und dem Stiftungsprojekt Kapitalmarktunion.
Erste Anlaufstelle sind in Europa, allen voran in Deutschland, die Banken. In Europa läuft noch immer rund 70% der Unternehmensfinanzierung über Banken und lediglich 30% über den Kapitalmarkt. In den USA ist die Quote genau umgekehrt. Die Bankenabhängigkeit wird dann zum Problem, wenn der Bankensektor nicht in der Lage ist, das gigantische Finanzierungspaket zu schultern. Und danach sieht es aus.
Banken haben aus verschiedenen Gründen Probleme mit der Finanzierung, transformatorischer Risiken: Zunächst sind diese Kredite keine lineare Fortsetzung des Firmenkundengeschäfts. Die Unsicherheiten sind größer und die Risiken sind höher. Der Zeithorizont für die Amortisation der Investitionen ist viel länger. Kreditsicherheiten sind womöglich schwer zu bewerten.
Überschusskapital im Bankensystem
Für Joachim Wuermeling, der bis zum 31. März die Bankenaufsicht bei der Deutschen Bundesbank geleitet hat, kommt noch eine weitere Frage hinzu, wie er auf der Veranstaltung verdeutlichte: Passt die Finanzierung von Innovationen zur Kapitalausstattung und zum Risikoappetit der Banken? Wuermeling würde es begrüßen, wenn Banken ihren Beitrag zur Transformation leisten. „Als Bankaufseher erwarten wir aber, dass Banken die Risiken aus kurzsichtigem Verhalten oder einer fehlgerichteten Transition im Blick behalten“, so Wuermeling. Auch transformatoriche Risiken müssen mit Eigenkapital unterlegt werden. Es sei nicht Aufgabe der Aufsicht, Anreize für Investitionen zu setzen oder entsprechende aufsichtliche Lockerungen anzugehen.
Es gäbe momentan zwar 165 Mrd. Euro Überschusskapital im Bankensystem. „Dennoch kann das Kapital bei einigen Instituten zum Limitierungsfaktor werden“, warnt Wuermeling. Vor allem bei kleinen und mittleren Instituten müsse der nötige Kapitalstock aufgebaut werden, damit in Zukunft keine Kreditklemme entsteht, die die Transformation behindern könnte.
Damit Europa die Finanzierung der Transformation aus eigener Kraft schaffen kann, braucht es laut Wuermeling ein Zusammenspiel von Banken und Kapitalmärkten. Die Einigung von EU-Staaten und EU-Parlament Anfang März auf einen einheitlichen Standard für Green Bonds, war ein wichtiger Meilenstein. Zu Beginn dieses Jahres hat der Green-Bond-Markt den zweitbesten Start in der Geschichte erlebt. Im Januar und Februar wurden insgesamt 227,3 Mrd. Dollar an neuen, nachhaltig gekennzeichneten Anleihen und Darlehen gebracht, was auf eine starke Rückkehr supranationaler und anderer öffentlicher Institutionen an dieses Marktsegment zurückzuführen ist.
Das Problem mit den Green Bonds
Green-Bonds haben aber das Problem, dass sie nur grüne Zwecke finanzieren können. Für die Transition Finance bringt das nichts. Hier braucht es Verbriefungen. Der Markt ist in Europa aber down. Dafür gibt es mehrere Gründe. Ein Grund ist eine gewisse durch die Finanzkrise verursachte Stigmatisierung von Verbriefungen, die insbesondere kleinere Institute davon abhält, sich als Originatoren oder Investoren zu engagieren. Dieses Stigma ist so nicht unbedingt gerechtfertigt: Damals kam es durch eine Verlängerung der Intermediärsketten sowie steigenden Ausfallraten der zu Grunde liegenden Kredite („sub-prime loans“) zu teils drastischen Verlusten, vornehmlich in den USA. Die Ausfallraten für europäische Verbriefungen hingegen blieben größtenteils begrenzt.
Zudem sind Verbriefungen komplexe Produkte, die eine besondere Expertise erfordern, welche in vielen Instituten nicht vorhanden ist – eine weitergehende Standardisierung könnte hier helfen, vor allem um Kosten zu senken, und Erstemissionen zu vereinfachen. Mit Blick auf die Refinanzierungsfunktion liegt es aber auch einfach daran, dass es in Europa – im Gegensatz zu den USA –alternative Instrumente gibt, die schneller, einfacher und günstiger zu emittieren sind, wie beispielsweise den Pfandbrief.