Regierung und Union einig bei Bundeswehr-Sonderfonds
Der Weg ist frei für den von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Beginn des Ukraine-Kriegs angekündigten 100-Milliarden-Euro-Sonderfonds zur besseren Ausstattung der Bundeswehr. Nach einer Einigung der Bundesregierung mit der oppositionellen Union könnte der Bundestag am Freitag die Grundgesetzänderung beschließen. Darauf liefen die Planungen am Montag hinaus, wie es in der Ampel-Koalition hieß. „Eine lange Zeit der Vernachlässigung der Streitkräfte wird damit beendet”, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Die Union verhilft der Koalition aus SPD, Grünen und FDP zur erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz sagte: „Das zeigt, dass Regierung und Opposition gemeinsam etwas auf den Weg bringen können.”
Die Grünen räumten ein, dass es ihnen nicht gelang, auch Maßnahmen zum Schutz gegen digitale Angriffe aus dem Sondervermögen zu finanzieren. Die Union „hätte hieran eine Einigung scheitern lassen”, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Daher sei nun vereinbart worden, notwendige Investitionen zur Cybersicherheit aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Dies wird im Errichtungsgesetz für den Sonderfonds festgehalten. Lindner schränkte aber ein, dass es keine Vereinbarung über eine konkrete Größenordnung der Mittel gebe.
Mit der Verankerung des Sonderfonds im Grundgesetz gilt die Schuldenbremse nicht für den Milliardentopf, aus dem über fünf Jahre der reguläre Verteidigungsetat von rund 50 Mrd. Euro aufgestockt werden soll. Finanziert werden soll dies allein durch zusätzliche Schulden.
Zwei-Prozent-Ziel der Nato wird erfüllt
Damit kann Deutschland das Nato-Ziel erfüllen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufzuwenden – also derzeit etwa 70 Mrd. Euro jährlich. Dies gelinge ohne Steuererhöhungen und ohne ein Aufweichen der Schuldenbremse, sagte Lindner. Dröge unterstrich: „Wir erhöhen die Neuverschuldung um 100 Mrd. Euro außerhalb des Anwendungsbereichs der Schuldenbremse. Damit bleiben Spielräume im Bundeshaushalt für wichtige andere Projekte.”
„Mit 100 Milliarden sorgen wir dafür, dass die Bundeswehr ihren Verteidigungsauftrag besser als jemals zuvor erfüllen kann”, erklärte Kanzler Scholz. „Geschafft”, twitterte Lindner in der Nacht zum Montag nach den Beratungen mit der Union. Im Finanzministerium waren am Sonntagabend unter anderem Lindner, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zusammengekommen. Lindner widersprach Medienberichten, sein Ministerium habe die Einigung am Sonntagabend vorzeitig bekanntgegeben, während bei den Grünen noch interne Beratungen liefen. Man habe sich per Handschlag verständigt und die gemeinsame Mitteilung entsprechend später verschickt, weil Baerbock zur Rückkopplung in ihrer Partei etwas länger als die vereinbarten 30 Minuten benötigt habe.
Plan mit konkreten Beschaffungsvorhaben
Scholz hatte den Milliardenfonds drei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar angekündigt. Mit der Ausnahme von der Schuldenbremse steht das Geld für den Fonds auch dann zur Verfügung, wenn Lindner wie angekündigt ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten will.Merz nahm für die Union in Anspruch, dass sie sechs Punkte genannt habe, bei deren Erfüllung sie dem Vorhaben zustimmen könne: „Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist dankenswerterweise bereit gewesen, uns in allen diesen sechs Punkten zu folgen.” Das Geld komme ausschließlich der Bundeswehr zugute. Die Koalition sagte zudem zu, dass der Wirtschaftsplan mit den konkreten Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr mit der Einrichtung des Fonds beschlossen werde. Lambrecht erklärte: „Es geht um Nachtsichtgeräte, es geht um Funkgeräte, es geht aber auch um den Schweren Transporthubschrauber.” Aus der Koalition hieß es: „Die 100 Mrd. Euro sind verplant.” In dem Reuters vorliegenden Entwurf für eine Gesetzesformulierung heißt es: „Die Mittel des Sondervermögens sollen der Finanzierung bedeutsamer Ausrüstungsvorhaben der Bundeswehr, insbesondere komplexer überjähriger Maßnahmen, dienen.
„Die Union konnte aber nicht durchsetzen, dass das Zwei-Prozent-Ziel im Grundgesetz verankert wird. Auch in dem Reuters vorliegenden Entwurf für das Errichtungsgesetz des Fonds fehlt eine konkrete Zahl. In dem vereinbarten Gesetzestext heißt es nun: “Nach Verausgabung des Sondervermögens werden aus dem Bundeshaushalt weiterhin die finanziellen Mittel bereitgestellt, um das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und den deutschen Beitrag zu den dann jeweils geltenden Nato-Fähigkeitszielen zu gewährleisten.”
Der Sonderfonds könnte für etwa fünf Jahre reichen, also bis Ende 2026. „Dann wird, was erforderlich ist, zur Verfügung gestellt”, sagte Linder. Der Bundestag könnte die Grundgesetzänderung und das Gesetz zur Errichtung des Sondervermögens am Freitag beschließen. „Aus unserer Sicht ist es möglich, das noch in dieser Woche zu tun”, unterstrich CSU-Landesgruppenchef Dobrindt.