Nachhaltiges Fliegen

Airbus-Nachhaltigkeitschefin ist die „Queen of Green“

Airbus-Nachhaltigkeitschefin Julie Kitcher hat das Vertrauen von Investoren und Analysten gewonnen, als sie für den Luft- und Raumfahrtkonzern die Investor Relations geleitet hat.

Airbus-Nachhaltigkeitschefin ist die „Queen of Green“

Airbus-Nachhaltigkeitschefin ist die „Queen of Green“

wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris

Eigentlich habe sie nur zwei Jahre bleiben wollen, als sie für Airbus von Großbritannien nach Toulouse gegangen sei, erzählt Julie Kitcher. Das war vor 22 Jahren. Nach einer Zwischenstation in Paris ist sie auch heute noch in Toulouse. Immerhin gehört die Britin seit 2019 dem Vorstand des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns an, zunächst als Kommunikations- und Stabschefin von Konzernchef Guillaume Faury mit Verantwortung für Audits, Umwelt- und Nachhaltigkeit. Seit letztem Jahr ist sie auch Chief Sustainability Officer, eine Funktion, die es bis dahin bei Airbus nicht gab.

Das Thema Nachhaltigkeit steht nächste Woche auch beim Airbus Summit im Mittelpunkt, einer Konferenz für Medien aus aller Welt, die bei dem CAC 40-Konzern unter Kitchers Ägide die traditionellen Innovationstage abgelöst hat. SAF (Sustainable Aviation Fuel), Emissionen unabhängig vom CO2-Ausstoß, Technologien für künftige Flugzeuge, KI (Künstliche Intelligenz) und Hubschrauber-Innovationen stehen diesmal auf dem Programm der Veranstaltung, zu der Kitcher den Schweizer Luftfahrt-Pionier und Solar Impulse-Gründer Bertrand Piccard als Gastredner eingeladen hat.

Fragen zur Wasserstoffstrategie

Branchenkenner hoffen, dass Airbus auf dem Summit Details nennt, wie es mit dem eigentlich für 2035 geplanten Wasserstoffflugzeug weitergehen wird. Der Flugzeugbauer hat vor wenigen Wochen bekannt gegeben, dass sich das Programm verspätet. „Wir haben kein präzises Datum genannt, aber das Programm dürfte sich um mindestens fünf Jahre verzögern“, sagt die aus der Nähe von Bath im Südwesten Englands stammende Wirtschaftsprüferin. „Wir glauben weiter an Wasserstoff, doch das dafür notwendige Ökosystem hat sich noch nicht genügend weiter entwickelt.“ Kitcher verweist auf die großen Herausforderungen bei der Entwicklung der entsprechenden Infrastruktur, Herstellung, Verteilung und regulatorischen Rahmenbedingungen.

Die Luftfahrtbranche, die sich das Ziel gesetzt hat, bis 2050 klimaneutral zu fliegen, setzt deshalb neben der Entwicklung neuer Technologien erstmal vor allem auf SAF. „Bei Airbus lag der SAF-Anteil beim Treibstoff letztes Jahr bei 18% im Betrieb“, erklärt Kitcher. Der Konzern führt selbst zahlreiche Test- und Überführungsflüge sowie Flüge mit den Beluga-Frachtflugzeugen durch, die Flugzeugteile von einem zum anderen Produktionsstandort bringen. „Bis 2030 soll der SAF-Anteil bei uns auf 30% steigen.“

Zuckerbrot und Peitsche

Der Flugzeugbauer arbeite jetzt an Anreizen wie Verzeichnissen für Buchungsanträge und Ankäufe, um die Nachfrage für die alternativen Treibstoffe zu fördern, die derzeit im Schnitt das drei- bis fünffache von herkömmlichen Kerosin kosten, sagt die Vorständin. Das Testflugzeug A380 MSN1 hat zudem gerade einen Testflug mit aus Frittieröl gewonnenem SAF absolviert. Derzeit sind alle Modelle von Airbus für einen Anteil von 50% SAF am Treibstoff zertifiziert. Bis Ende des Jahrzehnts soll der Anteil auf 100% steigen.

Eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche sei sinnvoll, um Nachfrage und Produktion von SAF zu fördern, meint die Absolventin des britischen Chartered Institute of Management Accountants (CIMA) und der Skema Business School in Lille. Vielleicht werde der globale Energiewandel jetzt wegen des Regierungswechsels in den USA etwas langsamer vorankommen als bisher gedacht, antwortet sie auf die Frage nach möglichen Auswirkungen der Politik von US-Präsident Donald Trump auf Nachhaltigkeitsbemühungen. „Aber wir sollten nicht unterschätzen, was in China und anderen Teilen der Welt im Hinblick auf Erneuerbare Energien passiert. Es ist ein globaler Wettlauf gegen den Klimawandel.“

Vertrauen der Investoren

Zugleich böte SAF als neue Industrie auch Wachstumschancen für die USA, meint sie. „Sie kann in ländlich geprägten Staaten für neue Investitionen, Arbeitsplätze, Innovationen und für neues Wachstum sorgen.“ Das seien Themen, die auch auf der Agenda von Trumps Regierung stünden, sagt Kitcher, der Analysten den Spitznamen „Queen of Green“ verpasst haben. Sie würden ihr auch zutrauen, als Finanzchefin für einen großen Konzern tätig zu sein. Das Vertrauen der Investoren hat sich Kitcher zwischen 2015 und 2019 als Leiterin der Investor Relations und der Finanzkommunikation erworben. Das war eine schwierige Phase für den Luftfahrtkonzern wegen Programmen wie dem Militärtransporter A400M und dem A380-Großraumflugzeug.

Karrierestart als Finanzanalystin

Damit hat sie auch Konzernchef Faury überzeugt, der sie in sein Team holte, als er 2019 das Ruder von Tom Enders übernahm. „Er hat mich damals beauftragt, ein Transformationsteam zusammenzustellen“, berichtet die Endvierzigerin, die ihre Karriere als Finanzanalystin bei GE Capital Equipment Finance in Großbritannien begonnen hat, bevor sie zu Airbus in Filton wechselte. Das Transformationsteam sei der Beginn des Nachhaltigkeitsprogramms des Luft- und Raumfahrtkonzerns gewesen.

„Wir sind die ersten in unserer Branche, die jetzt eine Nachhaltigkeitsstellungnahme veröffentlicht haben“, sagt die Mutter einer Tochter und eines Sohnes. Es sind ihre beiden Kinder, die sie motivieren, sich für das Thema Nachhaltigkeit einzusetzen. „Ich bin sehr motiviert, etwas für ihre Zukunft tun zu können.“

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