Alex Chesterman wird gebremst
Von Andreas Hippin, London
Erst vor einem Jahr hat Alex Chesterman (52), ein britischer Hansdampf in allen Gassen, im Londoner Gratisblatt „Metro“ zum Besten gegeben, worin das Geheimnis besteht, wieder und wieder die richtige Geschäftsidee zu haben. Doch sein Online-Gebrauchtwagenhandel Cazoo droht an die Wand zu fahren. Soeben teilte das Unternehmen mit, sein Geschäft auf dem europäischen Kontinent aufzugeben. In Deutschland und Spanien werde mit der „geordneten Abwicklung“ begonnen. In Frankreich und Italien spreche man mit den Arbeitnehmervertretern.
Bereits im Juni hatte die Gesellschaft Entlassungen auf dem Heimatmarkt angekündigt. Die lautstark beworbene Revolutionierung des Gebrauchtwagenkaufs spielt für das als „Amazon für Autos“ gehypte Unternehmen offenbar nicht genug ein. Vielleicht war auch das Marketing ein bisschen zu lautstark: Aus dem Sponsoring zahlreicher europäischer Fußballclubs wie dem SC Freiburg wird Chesterman wohl nicht so schnell herauskommen. Erst vor wenigen Monaten wurde eine entsprechende Vereinbarung mit Olympique de Marseille geschlossen.
Chesterman gibt offen zu, erfolgreiche Geschäftsmodelle aus den USA nach Großbritannien zu importieren – ein Ansatz, der in Deutschland mit großem Erfolg von den Samwer-Brüdern verfolgt wurde. Doch im Gegensatz zu den Hipstern von Shoreditch und den Techies im Silicon Valley trägt Chesterman Anzüge. Nach seinem Studium am University College London schlug er einen Job bei Goldman Sachs aus, um für Hard Rock Café in den Vereinigten Staaten zu arbeiten. „Ich habe in verschiedenen Städten Restaurants eröffnet, und jedes Mal war es, als ob man ein neues Unternehmen an den Start bringt“, sagte Chesterman dem Gratisblatt. „Ich habe viel gelernt.“
Vor gut 20 Jahren kehrte er nach London zurück. Dort gehörte er zu den Gründern des Online-DVD-Vertriebs Lovefilm. Ihm zufolge wollten 16 Risikokapitalgesellschaften das Projekt nicht finanzieren. Er habe daraus gelernt, nie aufzugeben. Am Ende wurde Lovefilm für 200 Mill. Pfund von Amazon.com gekauft. Das von ihm ins Leben gerufene Immobilienportal Zoopla brachte der Vater zweier Kinder 2014 an die Börse. Vier Jahre später wurde die aus Zoopla hervorgegangene FTSE-250-Gesellschaft ZPG vom Finanzinvestor Silver Lake für 2,2 Mrd. Pfund vom Kurszettel gestrichen.
Die Blaupause für Cazoo lieferte der US-Online-Gebrauchtwagenhändler Carvana, der bereits 2012 seine Geschäftstätigkeit aufnahm. Auch die deutsche Auto1 orientierte sich an diesem Vorbild. Im vergangenen Jahr schlüpfte Cazoo in den New Yorker Börsenmantel (Special Purpose Acquisition Company), den ihm der Hedgefondsmanager Dan Och in Form des Investmentvehikels Ajax1 hinhielt. Dabei wurde Cazoo mit 7 Mrd. Dollar bewertet – ein himmelweiter Unterschied zu anderen börsennotierten britischen Autohändlern wie Lookers oder Pendragon. Mittlerweile hat sich die Aktie zum Penny Stock entwickelt.
Aber wer weiß, vielleicht wird aus Cazoo ja doch noch ein Erfolg. Kurz nachdem Chesterman Zoopla an den Start brachte, brach die Finanzkrise über die Welt herein – kein guter Zeitpunkt für ein Immobilienportal. Seine Arbeit ist sein Hobby. Er sei zwischendurch allerdings, wann immer möglich, nach Hause gegangen, um die Kinder ins Bett zu bringen, sagt er. Wenn er Zeit habe, verbringe er sie mit der Familie.