Andrew Bailey entpuppt sich als Problemmagnet
Von Andreas Hippin, London
Als Andrew Bailey das Amt des Gouverneurs der Bank of England von Mark Carney übernahm, wähnte man die Institution in guten Händen. Doch sind seitdem immer mehr Zweifel an Baileys Führungsqualitäten aufgekommen. Wie die „Times“ berichtet, spielte Bailey im Skandal um die Abwicklungssparte der Royal Bank of Scotland (heute: Natwest) eine bislang unbekannte Rolle. Offengelegt wurde das von ihm nie. Auch in den beiden Untersuchungsberichten der Finanzaufsicht FCA (Financial Conduct Authority) zum Geschäftsgebaren der Global Restructuring Group (GRG), deren aggressive Verwertung von Sicherheiten nach der Finanzkrise viele Unternehmer um ihre Existenz brachte, ist davon nicht die Rede. Dem Blatt zufolge war Bailey am Entwurf des Rechtsrahmens für die Asset Protection Agency des Schatzamts beteiligt, die bei der in der Krise verstaatlichten Bank auf Zwangsvollstreckungen gedrungen haben soll. Als Carneys Vorgänger Mervyn King 2009 von Parlamentariern zur Asset Protection Agency befragt wurde, verwies er auf Bailey, der damals als Hauptkassierer (Chief Cashier) fungierte. Er habe „am engsten mit dem Schatzamt beim Design zusammengearbeitet“. Bailey ist deshalb nicht für das Vorgehen der GRG oder das Verhalten einzelner Mitarbeiter verantwortlich. Doch ein nicht genannter konservativer Abgeordneter nannte in der „Times“ den Umstand, dass seine Beteiligung nicht offengelegt wurde, „außerordentlich verstörend“.
„Weitgehend unreguliert“
Mehr als 12000 Firmenkunden der RBS wurden zwischen 2007 und 2012 in die GRG überführt. Lediglich einer von zehn schaffte es wieder zurück in eine normale Geschäftsbeziehung mit der Bank. „Unsere Untersuchung hat ergeben, dass die GRG den hohen Standards, die ihre Kunden erwarteten, ganz klar nicht entsprach“, lautete vor zwei Jahren das Fazit Baileys in dieser Sache. „Aber sie war weitgehend unreguliert, und unsere Befugnisse, unter solchen Umständen aktiv zu werden, sind sehr begrenzt.“ Er erläuterte zudem im Gespräch mit Abgeordneten, dass es unangemessen wäre, wenn die FCA gegen eine andere Behörde ermitteln würde. Dazu bedürfe es einer öffentlichen Untersuchung. Erst im vergangenen Monat hatte die Verfasserin eines Untersuchungsberichts zum Zusammenbruch von London Capital & Finance (LCF) vor dem Finanzausschuss des Unterhauses ausgesagt, dass Bailey versucht habe, seinen Namen aus ihrem Bericht herauszuhalten, und dass sie das für „unangebracht“ gehalten habe. Die ehemalige Richterin Elizabeth Gloster wies auch Baileys Argument entschieden zurück, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt habe. Bailey war zum Zeitpunkt der Pleite von LCF noch Chef der Finanzaufsicht FCA. Mehr als 11600 Kleinanleger hatten 237 Mill. Pfund in ein Mini-Bond-Produkt von LCF investiert. Anfang 2019 verabschiedete sich das Unternehmen in die Insolvenz. Mittlerweile fordern Abgeordnete eine Untersuchung des Zusammenbruchs von Blackmore, eines weiteren Mini-Bond-Anbieters, der im April 2020 kollabierte. Wie der „Telegraph“ berichtet, war die FCA bereits im März 2017 über Unregelmäßigkeiten informiert worden.
Noch vor Baileys Amtsantritt bei der Notenbank hatte die City-Aktivistin Gina Miller eine 36-seitige Kampfschrift unter dem Titel „Am Steuer eingeschlafen“ vorgelegt, in der die Pannen ausgebreitet werden, die sich unter seiner Führung bei der FCA zutrugen. Zahl und Ausmaß der Fehler seien „symptomatisch für seinen Mangel an Kompetenz und Integrität“, schrieb Miller in einer Petition, in der eine Überprüfung der Ernennung Baileys zum Zentralbankchef gefordert wurde. Miller hatte für den EU-Verbleib des Landes gekämpft.