Aufsichtsratschef Andreas Wiele kommt Abberufung zuvor
Aufsichtsratschef von ProSieben kommt Abberufung zuvor
jh München
Der Konflikt mit dem italienischen Großaktionär Media for Europe (MFE) hat weitere Folgen für den Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1. Der Vorsitzende Andreas Wiele kündigte jetzt an, nach Ablauf der Wahlperiode am Tag der Hauptversammlung am 28. Mai auszuscheiden. Der 1962 geborene Wiele, der von 2000 bis 2020 im Vorstand der Axel Springer SE war, hatte die Aufgabe vor drei Jahren übernommen.
In einer Mitteilung von ProSiebenSat.1 zeigt sich Wiele mit der Entwicklung des Medienunternehmens zufrieden: Es habe den richtigen Kurs eingeschlagen und sei „mit einem hervorragenden Vorstand und einer klaren Strategie bestens aufgestellt“. Damit stellt er sich gegen die regelmäßig wiederholte Kritik von MFE am Vorstand und an der Strategie. Zudem hält Wiele fest: „Gleichzeitig haben sich die Aktionärsstruktur und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats seit meinem Amtsantritt 2022 stark verändert.“ Deshalb wolle er nun „das Amt geordnet in neue Hände übergeben“.
Nur drei unabhängige Aufsichtsräte
Seit der kontrovers geführten Hauptversammlung im vergangenen Jahr sind vier der neun Mitglieder im Aufsichtsrat MFE zuzurechnen, zwei dem tschechischen Aktionär PPF. Wiele ist einer der drei unabhängigen Kontrolleure. MFE und PPF hatten sich gemeinsam mit ihren Gegenvorschlägen zum Aufsichtsrat durchgesetzt und den stellvertretenden Vorsitzenden Rolf Nonnenmacher abberufen. MFE besitzt knapp 30% der Stimmrechte, PPF nach der jüngsten Stimmrechtsmitteilung etwa 13%.
„Ich habe nicht das Gefühl, dass die beiden Minderheitenaktionäre sich weiterhin einen unabhängigen Chef des Aufsichtsrats wünschen“, sagte Wiele in einem Interview der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“. MFE, PPF und er seien sich darin nach seinem Eindruck einig. Einer möglichen Abberufung kommt er also zuvor. Zudem äußerte Wiele offen Kritik an den beiden Anteilseignern. Sie handelten nicht „im Interesse des Unternehmens oder aller Aktionäre“. Das wolle er nicht mehr vertreten.
Als Beispiel für diesen Vorwurf nennt er den geplanten Verkauf des Verbraucherportals Verivox und der Online-Parfümerie Flaconi. Beide gehören zu den Commerce & Ventures-Beteiligungen von ProSiebenSat.1. MFE und PPF dringen auf einen raschen Verkauf. Der Vorstand will dafür jedoch günstige Marktbedingungen abwarten. Wieles Kritik: „Es ist für jeden auf Anhieb einleuchtend, dass die eigene Verhandlungsposition enorm geschwächt wird, weil die potenziellen Käufer dies natürlich ausnutzen.“
Neuordnung im Konzern abgelehnt
Der Aufsichtsratschef erwähnt zudem eine gescheiterte Reorganisation im ProSiebenSat.1-Konzern. MFE hatte sich auf der Hauptversammlung 2024 mit der Ablehnung durchgesetzt. Wiele hatte damals gesagt, Verlustvorträge der Streaming-Plattform Joyn könnten nun nicht genutzt werden. Damit entgingen dem Unternehmen eine Steuerersparnis in dreistelliger Millionenhöhe und Zinserträge.
In den nächsten Monaten steht auch die Entscheidung über die Zukunft des Vorstandsvorsitzenden Bert Habets an. Sein Dreijahresvertrag läuft im Herbst aus. Der frühere RTL-Chef ist seit November 2022 an der Spitze von ProSiebenSat.1.
In dem für Personalentscheidungen für Vorstand und Aufsichtsrat wichtigen Nominierungsausschuss des Aufsichtsrats haben MFE und PPF mit jeweils zwei Mitgliedern zusammen die Mehrheit. Die beiden unabhängigen sind Wiele und der Informatik-Professor Cai-Nicolas Ziegler.