Kapitalmarktgeschäft

Benkreddas Start im Vorstand der DZ Bank

Bei der DZ Bank ist erstmals eine Frau im Vorstand zuständig für das Kapitalmarktgeschäft. Ihr Werdegang und ihre Persönlichkeit erklären die Berufung einer einstigen Privatbankerin aus dem Ausland.

Benkreddas Start im Vorstand der DZ Bank

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

„Mir ist das Thema Nachhaltigkeit persönlich sehr wichtig, das müssen wir gemeinsam für zukünftige Generationen vorantreiben. Mich hat sehr beeindruckt, wie weit die DZ Bank hierbei schon ist und welchen Impact die genossenschaftliche Gruppe durch ihre regionale Verankerung hat.“ Dies war für Souâd Benkredda einer der Beweggründe, im September als Kapitalmarktvorständin bei der zweitgrößten deutschen Bank anzufangen. Es war eine mehr als überraschende Personalie, als damals die Nachfolge des scheidenden Wolfgang Köhler verkündet wurde: Die 46-Jährige bringt keinen genossenschaftlichen Stallgeruch mit, sondern eine lange Privatbanken-Historie – und war viele Jahre im Ausland tätig, zuletzt in Dubai.

Es läge auf der Hand, über Benkredda­ wie über eine seltene und berühmte Briefmarke wie die Blaue Mauritius zu schreiben: eine Frau im harten Kapitalmarktgeschäft, noch dazu aus einer algerischen Großfamilie stammend, wenn auch gebürtige Frankfurterin, Mutter von zwölfjährigen Zwillingsmädchen, klein, zierlich und mit dunkler Löwenmähne. Aber genau das würde ihr nicht annähernd gerecht.

Ihre sehr offene, zugewandte und kommunikative Art ermöglicht ihr, auch die testosterongeschwängerten Investmentbanker – dies ist mehr als ein Klischee – statt in den üblichen Konkurrenzkampf in ein Miteinander zu bringen. Davon zeugen Berichte aus der Zeit, als sie 16 Jahre lang bei der Deutschen Bank war beziehungsweise fünfeinhalb Jahre bei Standard Chartered. Bei der „Financial Times“ schaffte sie es 2020 unter die „Top 50 champions of women in business globally“. Bei der Deutschen Bank avancierte sie 2008 zur jüngsten jemals berufenen Geschäftsführerin.

Es gehe ihr nicht um die persönliche Karriere, sondern darum, Entscheidungen auf der Grundlage dessen zu treffen, was ihr innerer Kompass ihr sagt, war über sie zu lesen. Und dass Gedankenvielfalt ihrer An­sicht nach der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens sei. „Ich bin da­zu erzogen worden, für das einzutreten, was ich für richtig halte, und keine Kompromisse bei meinen Werten einzugehen“, hat sie über sich selbst geschrieben. Und: „Ich versuche, anderen bei der Erledigung ihrer Aufgaben zu helfen, unabhängig da­von, in welchem Team sie arbeiten, weil ich dann das Gefühl habe, dass ich etwas Positives bewirkt habe.“

Sie sei die Erste in ihrer Familie gewesen, die studiert habe, erzählt sie. Und schickt ganz tiefenentspannt hinterher: Sie müsse sich also nichts beweisen. Zugleich gebe ihr die große Familie mit acht Geschwistern in Algerien ein festes Wertesystem. Zunächst studierte sie Psychologie, was vielleicht auch eine gute Grundlage war, um im Investment Banking Karriere zu machen. Eigentlich wollte sie Sprachen als ihre große Leidenschaft studieren – Benkredda spricht Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch und Arabisch. Aber es war eine ihrer Schwestern, die ihr riet, diese Leidenschaft mit einer etwas allgemeineren Ausrichtung zu kombinieren. Benkreddas Wahl fiel auf BWL, und damit gelangte sie eher per Zufall in die Bankenwelt. Und ist ihrer Schwester für diesen Rat noch heute dankbar.

Während des Studiums in Frankfurt und Paris ergatterte sie einen Praktikumsplatz im Handelsraum. Die dortige Atmosphäre und die dort mögliche Innovationsfähigkeit für Mitarbeiter reizte sie – und ihr weiterer Werdegang war damit wohl vorgezeichnet.

Allerdings nicht dadurch, dass sie das Konkurrenzgehabe im Investment Banking, das mitunter mit harten Bandagen kämpft und ein Inbegriff einer Männerdomäne ist, zu imitieren, sondern durch die Konzentration auf die eigenen Stärken, einen kooperativen Ansatz und ohne die eigenen Werte zu verleugnen, steht in Porträts über sie. Dass hartes Arbeiten allerdings dazugehört und eine Menge Selbstdisziplin, ist allein dadurch augenscheinlich, dass Benkredda­ konsequent zwei Tage die Woche von Sonnenaufgang bis -untergang ohne Essen und Trinken aushält, zusätzlich drei Tage an Vollmond und Ramadan als Moslemin ohnehin. „Das regelmäßige Fasten hilft mir, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.“ Dass eben andererseits materielle Dinge unwichtig sind.

Das steht im harten Kontrast zu dem, was sie tätigt, abwickelt oder verantwortet oder dies getan hat: strukturierte Zins- und Währungsprodukte, Firmen- und Investment-Banking-Geschäfte, sie arbeitete als Head of Financial Markets. Jetzt, bei der DZBank, ist sie für vier Bereiche zuständig. Ihre Verantwortung umfasst das Kapitalmarktgeschäft für institutionelle und private Kunden, den Handel und das Konzern-Treasury. Für die Banken im Verbund, aber auch für internationale Staatsfonds besorgt die DZ Bank Aktien-, Währungs- oder Zinsprodukte. Das Institut ist groß im Geschäft mit Zertifikaten für Privatkunden. Als Zentralinstitut besorgt es die Liquidität für die gesamte genossenschaftliche Gruppe. Der Handelsbereich wiederum stellt die Risiken glatt.

„Es wird ein spannendes Jahr an den Kapitalmärkten vor dem Hintergrund der Unsicherheit, wie sich die Märkte entwickeln“, sagt Benkredda. Die unklare Zinsentwicklung sorge für unsichere Marktteilnehmer. „Gerade in solchen Zeiten sind wir natürlich für unsere Kunden da und unterstützen diese mit für sie zugeschnittenen Lösungen.“ Sehr spannend sei für sie die Begleitung der Primärbanken bei der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit. Die DZ Bank will bei grünen Anleihen führend sein und hilft den Emittenten bei der Strukturierung. Gerade baut das Haus an einer Datenbank, in der sich die Anleihe-Emittenten über die daran interessierten Investoren informieren können. „Denn es ist ja nicht nur die Strukturierung, die eine Anleihe wirklich grün macht, sondern auch die Geldgeber müssen hierzu passen. Wir wollen in unserer Datenbank ‚ESGLocate‘ ESG-Scores über Investoren für Emittenten erstellen.“ Also eine Art Tinder für grüne Anleihen.

Wie kommt man von Dubai und einer englischen Großbank zur eher bieder wirkenden DZ Bank? Es gab keine Verbindungen, sondern es war ein normales Headhunter-Verfahren, verrät sie. Wobei ihre Präsenz auf vielen internationalen Konferenzen die Wahrscheinlichkeit des augenscheinlich perfekten Matches für die DZ Bank erhöht hatte.

Bei einem ersten Gespräch mit den Co-Chefs Cornelius Riese und Uwe Fröhlich sowie dem Aufsichtsratsvorsitzenden Henning Deneke-Jöhrens herrschte spontane gegenseitige Sympathie. Ihre erste Zeit bei der DZ Bank sei gekennzeichnet durch einen „sehr warmherzigen Empfang“. Während sie sich zunächst in die Tiefen des Konzerns und die besonders reiche Abkürzungsvielfalt der genossenschaftlichen Gruppe wühlte, steht nunmehr die Rundreise zu den 100 Volks- und Raiffeisenbanken in Hessen, Thüringen und Sachsen an. Zugleich werden im Sommer zum neuen Schuljahr auch ihr Mann und ihre zwei Töchter hinterherkommen. „Die DZ Bank könnte ruhig etwas selbstbewusster auftreten, sie ist eine tolle Bank, hat ein gutes Rating und sorgt für einen positiven Impact. Die gesellschaftliche Rolle und Verankerung der Genossenschaftsbanken, die ja unsere Eigentümer sind, in den Regionen und somit in ganz Deutschland – da kann man durchaus auch stolz darauf sein und dies auch offen zeigen“, ist Benkreddas erste Zwischenbilanz und erklärtes Ziel nach vier Monaten.

Apropos Nachhaltigkeit: Derzeit haben mit Deutsche Bank, DZ Bank und Commerzbank alle drei großen Geschäftsbanken auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit je zwei Frauen im Vorstand. Es bleibt spannend, wer hier als Erster im Rennen aufstockt und die Nase vorn hat.