Covestro-Betriebsratschefin Kronen

„Betriebsrätin ist ja kein Ausbildungsberuf“

Petra Kronen hat früh gelernt, für ihre Rechte zu kämpfen. Als Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Covestro hat sie heute die Belange der 17.500 Beschäftigten im Blick. Ob der nicht enden wollenden Übernahmegespräche mit Adnoc ist die Belegschaft verunsichert.

„Betriebsrätin ist ja kein Ausbildungsberuf“

„Betriebsrätin ist ja kein Ausbildungsberuf“

Von Annette Becker, Krefeld

Als Aufsichtsrätin macht Petra Kronen keiner so schnell etwas vor. Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Covestro blickt nämlich auf 24 Jahre Aufsichtsratstätigkeit zurück. Covestro gibt es zwar erst seit 2015 und Kronen, die am 1. August ihr 44-jähriges Dienstjubiläum feiert, war von Anfang an dabei. Doch schon zwischen Juli 2000 und September 2017 gehörte sie dem Bayer-Kontrollgremium an. „Als ich aus dem Aufsichtsrat von Bayer ausschied, war ich dort tatsächlich die dienstälteste Aufsichtsrätin von allen“, erzählt Kronen (Jahrgang 1964) im Gespräch. Den Stab habe sie seinerzeit an Paul Achleitner weitergereicht. Er gehört dem Kontrollgremium noch immer an.

Heute ist Kronen stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Covestro. Ihre berufliche Laufbahn hat sie jedoch bei Bayer in Krefeld-Uerdingen begonnen. „Im ersten Monat meiner Ausbildung zur Chemielabor-Jungwerkerin war ich tatsächlich noch 15 Jahre alt“, erinnert sich die quirlige Betriebsrätin. Wer in den frühen 1980er Jahren bei Bayer einen Chemieberuf erlernen wollte, musste sich zunächst einer zweijährigen Ausbildung unterziehen und durfte mit viel Glück im Anschluss noch ein Jahr draufsatteln, um Chemielaborantin zu werden. In ihrem Jahrgang starteten um die 70 Auszubildende, aber nur vier oder fünf Jugendliche zogen das große Los.

Die Saat war früh gelegt

Ihren männlichen Kollegen winkte dagegen die Weiterbildung zum Chemiefacharbeiter. Für diese Berufsgruppe gab es weitaus mehr Bedarf. „Ich habe früh gemerkt, dass es für Frauen in der chemischen Industrie nicht ganz so einfach ist“, stellt Kronen nüchtern, aber ohne Gram fest. Der Grund für die Auswahl nach Geschlecht war simpel, arbeiten Chemiefacharbeiter doch in der Produktion und damit im Schichtbetrieb. Für Frauen aber gab es damals noch ein Nachtarbeitsverbot. Ob dieser Ungleichbehandlung war bei Kronen die Saat für ihr gewerkschaftliches Engagement gelegt.

„Mein Wunsch, zusammen mit anderen an Verbesserungen zu arbeiten, hat mich zur Gewerkschaftsarbeit gebracht“, blickt die gebürtige Krefelderin zurück. Bereut hat sie es nie. Das zumindest vermittelt die erfahrene Betriebsrätin, wenn sie über ihre Arbeit spricht.

Heute sind die Themen andere, denn die deutsche Chemieindustrie steckt in der Klemme. Nicht nur die Konjunkturflaute bremst, auch strukturell bangt die energieintensive Branche am Standort Deutschland um ihre Wettbewerbsfähigkeit. „Ich glaube, dass es berechtigten Grund gibt, sich Sorgen zu machen“, gesteht Kronen ganz offen ein.

Übernahmeverhandlungen

Auch bei Covestro sei die Ertragssituation momentan nicht gut. Erschwerend kommt hinzu, dass Adnoc, der staatliche Ölkonzern aus Abu Dhabi, seine Fühler nach Covestro ausgestreckt hat. Das treibt viele Beschäftigte um, zumal eine mögliche Übernahme schon seit fast einem Jahr im Raum steht. Im Herbst hatte sich Covestro für Gespräche mit Adnoc geöffnet. Seither ruht still der See.

Es könne sein, dass es am Ende keine Vereinbarung mit Adnoc gebe, weil die Interessen aller Stakeholder nicht angemessen berücksichtigt werden könnten, hatte Vorstandschef Markus Steilemann jüngst in der Hauptversammlung erklärt. Auch Kronen darf sich nicht näher äußern. Nur so viel: „Am Ende muss das Beste für alle Stakeholder herauskommen, und welche Stakeholder wir als Arbeitnehmervertreter besonders im Fokus haben, ist klar.“

Familiäre Gründe

Kürzlich war Steilemann bei der Betriebsräteversammlung zu Gast. „Wir haben ihm mitgegeben, was bei uns aus der Belegschaft ankommt.“ Das sei dem Vorstandsvorsitzenden womöglich gar nicht bewusst, zumal auch die Dauer der Verhandlungen belaste. Das lenke von der eigentlichen Arbeit ab. „Wenn gefragt wird, ob es noch sinnvoll ist, dass das eigene Kind eine Ausbildung bei Covestro macht, dann ist das für uns eine Art Stimmungsbarometer“, beschreibt Kronen die Habachtstellung vieler Beschäftigter.

Ihrem Vater, erzählt sie, wäre die Frage 1980 gar nicht in den Sinn gekommen. Im Gegenteil: Dass Kronen bei Bayer landete, hat familiäre Gründe. Trotz anderer Interessen riet ihr der Vater, der als Schlossermeister im Chemiepark arbeitete, sich auch bei Bayer zu bewerben. „Was ich mir gar nicht vorstellen konnte, war ein Bürojob – und jetzt habe ich einen und das schon ziemlich lange“, schmunzelt die seit 1991 freigestellte Betriebsrätin.

Eloquent

Alles hat über die gewerkschaftliche Jugendarbeit angefangen. 1987 wurde sie in den Betriebsrat von Bayer gewählt und erstmals zur Vertrauensfrau in der zentralen Forschung berufen. Wer Kronen kennt, versteht sofort, warum. Die Vollblutgewerkschafterin erweist sich nämlich nicht nur als eloquente Gesprächspartnerin, sondern versteht sich auch darauf, den Blickwinkel des Gegenübers einzunehmen.

Ohne die Gewerkschaft, ist Kronen überzeugt, wäre weder ihre Betriebsratsarbeit noch ihre Arbeit als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende möglich. „Betriebsrat ist ja kein Ausbildungsberuf, da muss man sich schulen lassen“, sagt sie. Neben von der Gewerkschaft organisierten Kursen und Seminaren hat sie ihr Wissen im Rahmen eines berufsbegleitenden Studiums zur Change-Managerin abgerundet. „Mit der Zeit lernt man immer besser, zwischen der Funktion als Betriebsrätin und der als Aufsichtsrätin zu trennen. Das ist wichtig, zumal ich nicht so sportlich bin, als dass ich Spagat könnte“, holt Kronen den letzten Lacher auf ihre Seite.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.