Gewerkschaftssekretär verlässt Aufsichtsrat

Commerzbank-Aufsichtsrat Wittmann nimmt Abschied zur Unzeit

Zum Jahresende verlässt Stefan Wittmann den Aufsichtsrat der Commerzbank. Der Abschied mitten im Abwehrkampf fällt ihm sichtbar schwer, wie seine scharfe Kritik an der Anschleich-Taktik von Unicredit-Chef Orcel deutlich macht.

Commerzbank-Aufsichtsrat Wittmann nimmt Abschied zur Unzeit

Commerzbank-Aufsichtsrat Wittmann nimmt Abschied zur Unzeit

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Ausgerechnet jetzt. Mitten im Abwehrkampf gegen Unicredit verlässt Stefan Wittmann den Aufsichtsrat der Commerzbank. Der Gewerkschaftssekretär, der seit sechs Jahren einen Platz der Arbeitnehmerseite in dem Gremium einnimmt, tritt die Geschäfte zum Jahresende an seinen Verdi-Kollegen Kevin Voss ab. Wie eng verbunden sich Wittmann der gelben Bank fühlt, erahnt, wer ihn über Unicredit-Chef Andrea Orcel vom Leder ziehen hört.

Typischer Oberpfälzer

Orcel habe sich durch „wiederholtes Foulspiel“ hervorgetan, sagt Wittmann, der als typischer Oberpfälzer kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es ihm opportun erscheint. Der Unicredit-Chef habe sich möglicherweise als gewiefter Investmentbanker profiliert. Doch spätestens der neuerliche Ausbau der Position an der Commerzbank sei Wortbruch. Schließlich hatte Orcel erst kürzlich versprochen, bis zur Bundestagswahl die Füße still zu halten. Das zeige, dass er kein seriöser Ansprechpartner für die Politik und letztlich auch die Wirtschaft sei, findet Wittmann: „Damit hat er sich selbst disqualifiziert, die europäische Großbank zu führen, die er aus Unicredit, Commerzbank und BPM schmieden will.“

Im Abwehrkampf spitze

Man ahnt, dass Wittmann vielleicht der Mann der Stunde wäre. Schon einmal hat der 56-Jährige unter Beweis gestellt, dass er es versteht, seine Position am mitbestimmungsrechtlich vorgeschriebenen Katzentisch des Kapitalismus politisch zu nutzen. Auch damals, 2019, ging es um die Eigenständigkeit der Commerzbank. Und um Tausende Jobs am Finanzplatz, die durch die geplante Fusion mit der Deutschen Bank obsolet geworden wären.

Temporäre Omnipräsenz in den Medien

Dieses Horrorszenario vor Augen, lief der gelernte Sozialversicherungsangestellte zur Hochform auf. Der Aktionärsaktivist Cerberus stänkerte. Der Großaktionär Bund hüllte sich in Schweigen. Der damalige Vorstandschef schien gerade zu erleichtert, die strukturellen Probleme seiner Bank in die Hände des blauen Erzrivalen zu legen. Wittmann dagegen mobilisierte die Belegschaft, war mit seinen Interviews omnipräsent in den Medien und leistete damit zweifellos einen Beitrag dazu, dass die Großfusion abgeblasen wurde. Nebenbei hatte er Verdi damit eine Flut von Mitgliedsanträgen beschert. Und das in einer Branche, die mit dem Klassenkampf wenig am Hut hat und mit betrieblicher Mitbestimmung seit jeher fremdelt.

Großes Verhandlungsgeschick

Zwar blieb der Commerzbank der Stellenabbau trotz der erfolgreich abgewendeten Fusion nicht erspart. Doch die allermeisten der rund 8.000 Beschäftigten, die das Institut in der Restrukturierung verließen, fielen weich, auch dank Wittmanns Verhandlungsgeschick. Großzügige Abfindungen mit Turboprämie für Schnellentschlossene und eine Altersteilzeitoption, die schon einige der damals erst 50-Jährigen ziehen konnten, versüßten vielen Commerzbankern den Abschied. Für ihn selbst bleibt der frühe Ruhestand erstmal ein Traum, künftig betreut er die DZ Bank und den genossenschaftlichen IT-Dienstleister Atruvia.

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