Oligarchen

Der unerwartete Vermittler

Roman Abramowitsch hat sich bereit erklärt, zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln. Der Eigentümer des FC Chelsea verfügt über ein interessantes Beziehungsgeflecht. Vielleicht hilft es ja.

Der unerwartete Vermittler

Von Andreas Hippin, London

Der russische Milliardär Roman Abramowitsch (55) hat sich der „Jerusalem Post“ zufolge auf den Weg nach Weißrussland ge­macht, um zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Ein ukrainischer Regisseur, Oleksandr Rodnjanskyj, habe ihn darum gebeten. Man habe nach jemandem in Russland gesucht, der bei der Suche nach einer Friedenslösung helfen wolle. Abramowitsch sei als einziger dazu bereit gewesen, wird Rodnjanskyj zitiert. Er verfüge über enge Beziehungen zu den jüdischen Gemeinden in der Ukraine und in Russland, berichtet das Blatt.

In Großbritannien rückte der mitunter im noblen Kensington residierende Oligarch, dessen Vermögen vom US-Magazin „Forbes“ auf 13,2 Mrd. Dollar geschätzt wird, durch die russische Invasion in der Ukraine erneut in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Der Labour-Unterhausabgeordnete Chris Bryant forderte, seine Vermögenswerte zu beschlagnahmen, wenn er den russischen Angriff nicht verurteile. Er zitierte zudem aus einem ihm zugespielten Dokument des britischen Innenministeriums aus dem Jahr 2019, in dem ihm Beziehungen zum russischen Staat und zu „korrupten Aktivitäten und Praktiken“ zugeschrieben wurden. „Das war vor drei Jahren“, sagte Bryant. „Seitdem wurde bemerkenswert wenig unternommen.“

Vitamin B

Immer wieder wird Abramowitsch Nähe zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin unterstellt. Er stand bis 2013 an der Spitze der Verwaltungseinheit Tschukotka im äußersten Nordosten Russlands. Der inhaftierte russische Oppositionsführer Alexej Nawalny fordert seit Jahren Strafmaßnahmen gegen Abramowitsch. „Forbes“ hat eine interessante Erklärung dafür, dass er bislang verschont wurde: seine Freundschaft zu Donald Trumps Tochter Ivanka und deren Ehemann Jared Kushner. Sie seien wiederholt in Sankt Petersburg, Dubrovnik, Aspen, St. Barts und New York zusammen gesehen worden, berichtet das Magazin unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten Experten, der für die russische Regierung tätig gewesen sei.

Premierminister Boris Johnson hatte zwar vergangenen Dienstag im Unterhaus gesagt, Abramowitsch stünden wegen seiner Nähe zum russischen Staat Sanktionen ins Haus. Wenig später hieß es jedoch aus 10 Downing Street, er habe sich versprochen. Am Samstag übertrug Abramowitsch die Führung seines Fußballclubs FC Chelsea den Treuhändern der Stiftung des Vereins. Seitdem fragen sich Fans, wie es mit dem Club weitergehen wird. Klar ist nur: Der Vater von sieben Kindern bleibt Eigentümer.

Der Selfmade-Milliardär, der im Ölgeschäft reich wurde, fing angeblich ganz klein an: als Verkäufer von Plastikpuppen. Heute hält er unter anderem Beteiligungen am russischen Stahlkocher Evraz und an Norilsk Nickel. Er war einst Ge­schäftspartner von Boris Beresowski, einem engen Verbündeten des ehemaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin. Seine Kritiker werfen den beiden vor, ihre Beziehungen zum Kreml dazu genutzt zu haben, Staatsbetriebe unter Marktwert zu erwerben.

Sein britisches Investorenvisum lief im April 2018 ab. Nach dem Giftgas-Anschlag russischer Geheimdienstler auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal im englischen Salisbury zog er seinen Antrag auf Verlängerung des Visums zurück und wurde stattdessen israelischer Staatsbürger. Als Kind jüdischer Eltern hatte er Anspruch auf einen israelischen Pass. Mit diesem Pass kann er ohne Visum nach Großbritannien einreisen. Die britische Innenministerium Priti Patel schaffte die sogenannten Tier-1-Investorenvisa, die Wohlhabenden aus aller Welt mit einem Vermögen von mehr als 2 Mill. Pfund den Weg ins Vereinigte Königreich eröffneten, diesen Monat mit sofortiger Wirkung ab. Seit Einführung im Jahr 2008 gingen mehr als 2 500 davon an russische Staatsbürger.

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