Die Börsenträume der Gründer von Wetransfer sind vorerst geplatzt
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Es hätte ein Milliarden-Börsengang werden können, der den Status als „Einhorn“ eingebracht hätte. Doch jetzt ist das IPO der Filehosting-Plattform Wetransfer, die das Versenden großer Dateien erleichtert, die nicht in eine E-Mail passen, zu einem der ersten Opfer des Abverkaufs von Tech-Aktien geworden. Heute hätte das Unternehmen in Amsterdam an der Börse starten sollen, doch das IPO wurde gestern in letzter Minute abgesagt. Es hätte dem Unternehmen und den Alteigentümern in Summe laut ursprünglicher Planung, die schon im Vorfeld abgespeckt wurde, bis zu 250 Mill. Euro einbringen sollen. Als Streubesitzanteil waren 40% vorgesehen.
Mit der Absage platzt auch ein Traum der beiden Unternehmensgründer, die noch an die 10% der Anteile halten, und von CEO George Willoughby, der schon seit mehr als einem Jahr mit Bank of America und weiteren Banken an der Transaktion gearbeitet hatte. Wetransfer – die Mutter heißt Werock – wurde im Dezember 2009 in Amsterdam von den Niederländern Ronald Hans (Spitzname Nalden) und Bas Beerens gegründet – aus Frustration über die Tatsache, dass schwere Dateien oft wegen der maximalen Dateigröße von E-Mail-Nachrichten hängen blieben. Vor allem in kreativen Berufen führte dies regelmäßig zu Problemen. Beerens, der den Aufsichtsrat nach dem Börsengang verlassen sollte und bei dem nun unklar ist, ob er bleibt, leitete die Designagentur OY Communications und schrieb zur Einsparung von Kurier- und Versandkosten eine Software, um große Dateien von und zu Kunden zu übertragen. Ronald Hans, der das Unternehmen schon früher verlassen hatte und dem das Designstudio Present Plus gehört, kam aus der Bloggerszene, als er die Idee hatte, großformatige Werbung unter seine Blogs zu legen.
Seit 2013 arbeitet Wetransfer – die Dropbox als Konkurrenten hat – profitabel. Die Firma meldete für 2020 rund 65 Mill. Euro Umsatz und hat inzwischen einen weltweiten Kundenstamm von 87 Millionen monatlich aktiven Nutzern, die 1,5 Milliarden Dateien pro Monat versenden und das werbefinanzierte Produkt (außer in der Premiumversion) kostenlos erhalten. 2015 nahm Wetransfer in der ersten Finanzierungsrunde 25 Mill. Dollar Wagniskapital zum Zweck der Wachstumsfinanzierung auf. Das Geld kam vom Finanzinvestor Highland Capital Partners Europe, der mit 58% neben dem Investor Stak mit 19% als Haupteigentümer fungiert. Der Deal bewertete die Firma mit etwa 150 Mill. Euro.
„Wir haben nicht proaktiv nach einer Finanzierung gesucht. Aber nachdem in den letzten zwei Jahren eine große Anzahl von Investoren aus der ganzen Welt an uns herangetreten ist, haben wir erkannt, dass es größere Möglichkeiten gibt“, erklärte der damalige CEO und Gründer Beerens. Er gehört zu der Gruppe niederländischer Unternehmer, die den Amsterdamer Frühphasen-Risikokapitalfonds Dutch Founders Fund gegründet haben. Dort läuft es besser: Gerade hat das Vehikel 62 Mill. Euro für Investments in Internetmarktplätze eingesammelt.