EU-Spitzenpersonalien

Die neue EU-Kommission: Albuquerque für Finanzmärkte, Ribera für Wettbewerb

Die designierte neue oberste Finanzmarktreguliererin Europas ist eine Portugiesin: Maria Luis Albuquerque, ehemalige Finanzministerin und Aufsichtsrätin bei Morgan Stanley.

Die neue EU-Kommission: Albuquerque für Finanzmärkte, Ribera für Wettbewerb

Albuquerque für Finanzmärkte, Ribera für Wettbewerb

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

An Durchsetzungskraft mangelt es Maria Luís Albuquerque gewiss nicht. Die 57-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin musste in der Finanzkrise, als Portugal nur dank eines europäischen Hilfsprogramms liquide blieb, in ihrer Rolle als Finanzministerin zwischen 2013 und 2015 die Auflagen der Troika umsetzen und tiefe Einschnitte in das Sozialsystem ihres Heimatlands vornehmen. Nun wird sie Beharrlichkeit und Entschlossenheit brauchen können, um endlich Fortschritte bei der Kapitalmarktunion zu erreichen. Denn vor allem dafür hat sie EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorgesehen, die Albuquerque am Dienstag als EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen und „für die Spar- und Investmentunion“ nominiert hat. Der Begriff „Spar- und Investmentunion“ meint im Brüsseler Kauderwelsch genau das Gleiche wie Kapitalmarktunion, aber vermeidet den Begriff, der mancherorts negativ behaftet ist, weil bislang so wenig geschehen ist. „Sie wird sicherstellen, dass auch private Investitionen mehr als bisher Produktivität und Innovation treiben“, erklärte von der Leyen anlässlich der Vorstellung der Aufgabenbereiche der EU-Kommissarinnen und EU-Kommissare, die in Brüssel in den nächsten fünf Jahren Verwaltung und Regulierung der EU steuern, sofern sie bei den nun anstehenden Hearings nicht noch vom EU-Parlament hinausgekegelt werden.

Lob und Vorbehalte

Unmittelbar nach der Nominierung gab es schon Vorschusslorbeeren: Albuquerque sei eine „gute Wahl“ und eine „hervorragende Kandidatin für das Amt“, lobte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg Asmussen. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber unterstrich, dass von der Leyen mit Albuquerque „eine erfahrene ehemalige Finanzministerin nominiert“ habe. Die Portugiesin muss sich nichtsdestotrotz auf eine anstrengende Befragung im EU-Parlament gefasst machen – und auf das ein oder andere Störfeuer. So keilt der EU-Abgeordnete der Linken, Martin Schirdewan: „Mit Albuquerque wurde eine Lobbyistin von Investmentbanken in die EU-Kommission geholt, die ausgerechnet für Investment Banking zuständig sein wird.“ Schirdewan spielt darauf an, dass sie nach ihrer Amtszeit als Finanzministerin sowohl für den Vermögensverwalter Arrow Global tätig war als auch dem Aufsichtsrat der Europa-Einheit von Morgan Stanley angehörte. Was für den einen Fragen über mögliche Interessenkonflikte aufwirft, dürfte bei anderen den Eindruck verstärken, dass die Portugiesin die richtige Wahl für das Ressort ist, das ein gerüttelt Maß an Kenntnissen über Finanzmärkte und -produkte erfordert. Albuquerque gehört dem Partido Social Democrata an, aber davon sollte sich niemand auf die falsche Fährte bringen lassen: Die PSD ist die große Mitte-Rechts-Partei Portugals und gemeinsam mit der CDU Teil der konservativen Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei.

Gegen Klimawandel und Monopol

Demgegenüber gehört Teresa Ribera der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) an. Sie soll ein anderes für Banken und Unternehmen zentrales Ressort übernehmen: Als Nachfolgerin von Margrethe Vestager ist sie für den Posten der EU-Wettbewerbskommissarin vorgeschlagen. Zugleich soll sie sich – in herausgehobener Rolle als „exekutive Vizepräsidentin“ – um das Thema der „sauberen Transformation“ kümmern. „Sie wird die Bemühungen leiten, Europa auf Kurs zu halten, die Ziele des europäischen Grünen Deals zu erreichen“, so von der Leyen. Schließlich „wollen wir unsere Wirtschaft gleichzeitig dekarbonisieren und industrialisieren“. Die 55 Jahre alte Ribera ist als „Ministerin für den ökologischen Wandel“ bereits mit dieser zweiten Aufgabe betraut. Die Juristin gilt als engagierte Streiterin gegen den Klimawandel und für den Umweltschutz. Nun muss sie sich parallel dazu mit den Amazons, Apples und Googles – und natürlich mit europäischen Unternehmen – über Marktmissbrauch und Beihilfen streiten.

Der in letzter Sekunde für Thierry Breton nachgerückte Franzose Stéphane Séjourné wird von der EU-Kommissionschefin mit einem besonders umfassenden und durchaus hochrelevanten Ressort bedacht: Er wird gleichzeitig für die Industrie, den Mittelstand und den Binnenmarkt zuständig sein. Der 49 Jahre alte Liberale war Europaabgeordneter und zuletzt französischer Außenminister.

Alle wollen Wirtschaft

Mehr als 20 Regierungen hätten sich gewünscht, für ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten ein wirtschaftsnahes Dossier zugewiesen zu bekommen, erklärte von der Leyen. Das wäre natürlich nicht möglich gewesen. Allerdings sind die Ressorts so zugeschnitten, dass eine große Zahl der Dossiers letztlich doch eine gewisse Nähe zu ökonomischen Fragen hat. Das wiederum hat damit zu tun, dass die Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit das übergeordnete Ziel der neuen EU-Kommission ist.

Aus Sicht von Banken, Finanzmarktteilnehmern und Unternehmen wichtig sind schließlich noch die Berufungen von Kommissions-Urgestein Valdis Dombrovskis (Lettland) zum Kommissar für Wirtschaft (und damit auch zum Hüter des Stabilitätspakts) und für Bürokratieabbau, vom ebenfalls langgedienten EU-Kommissar Maroš Šefčovič (Slowakei) für Handel und Zölle, von Raffaele Fitto von den postfaschistischen „Brüdern Italiens“ für Regionalpolitik und von Andrius Kubilius (Litauen) zum ersten EU-Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt.