Die Schlüsselrolle von Frankreichs neuem Wirtschaftsminister
Die Schlüsselrolle von Wirtschaftsminister Lombard
wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris
Ein (linker) Nahezu-Premierminister in Bercy, titelte die neoliberale Tageszeitung „L’Opinion“ gerade über ihn. Immerhin kommt Frankreichs neuem Wirtschafts- und Finanzminister Éric Lombard eine Schlüsselrolle zu. Denn es wird auch von seinem Verhandlungsgeschick abhängen, ob die neue Regierung diese Woche übersteht. Die linksextreme Partei La France Insoumise (LFI) hat bereits angekündigt, dass sie nach der Regierungserklärung von Premierminister François Bayrou Dienstagnachmittag einen Misstrauensantrag stellen wird. Ob sie ebenfalls dafür stimmen oder nicht, wollen die anderen Oppositionsparteien von Zugeständnissen der Regierung beim Haushaltsentwurf 2025 und der 2023 in Kraft getretenen Rentenreform abhängig machen.
Jetzt werde sich zeigen, ob Lombard tatsächlich der große Taktiker sei, als den ihn einst ein Chef eines CAC-40-Konzerns lobte, meint der konservative „Figaro“. Der 66-Jährige versucht bei den Verhandlungen vor allem die linke Opposition zu überzeugen. Im Gegensatz zu der Anfang Dezember gestürzten Regierung von Michel Barnier, der den haushaltspolitischen Forderungen des rechtsradikalen Rassemblement National (RN) zumindest teilweise entgegengekommen war. Der als ruhig, entschlossen und methodisch geltende Ex-Banker hat sich deshalb bei einem ersten Treffen mit Vertretern der sogenannten republikanischen Linken Zeit bis tief in die Nacht genommen, um sich die Anliegen von Sozialisten, Grünen und Kommunisten anzuhören. „Ich nehme euch ernst“, hat er ihnen damit signalisiert.
Mitgründer von sozialliberalem Thinktank
Das Wirtschafts- und Finanzministerium sei ihm bereits unter Barnier angeboten worden, berichtete der frühere Generaldirektor der staatlichen Bank Caisse des Dépôts et Consignations (CDC) der linksliberalen Tageszeitung „Libération“. Für jemanden mit seinem Werdegang sei es sehr schwierig gewesen, dieses Amt abzulehnen. „Es ist nicht dasselbe, in einer Regierung zu sein, um einen Dialog mit der Linken zu führen, oder die linke Buchse einer Regierung zu sein, die mit dem RN verhandelt“, erklärt das ehemalige Mitglied der Sozialistischen Partei (PS) seinen Sinneswandel.
Er werde für seine Überzeugungen eintreten und für Steuergerechtigkeit, hat Lombard bei seinem Amtsantritt versprochen. Auch von sozialem Notstand hat das Gründungsmitglied der „Gracques“ gesprochen. Der sozialliberale Thinktank tritt sowohl für eine strenge Haushaltspolitik als auch für Solidarität ein. In seiner neuen Rolle muss der Absolvent der Wirtschaftshochschule HEC nun sowohl den Forderungen der linken Opposition entgegenkommen als auch sicherstellen, dass das Defizit von voraussichtlich 6,1% im letzten Jahr 2025 auf 5% bis 5,5% gesenkt und das Wachstum nicht komplett abgewürgt wird. Im vierten Quartal hat es laut Banque de France stagniert, während der monatliche Unsicherheitsindikator der Notenbank im Dezember vor allem wegen der haushalts- und fiskalpolitischen Unsicherheit in Frankreich hoch geblieben ist.
Anschlag entkommen
Lombard, der seine Karriere einst bei Paribas begonnen hat, plant Haushaltsanstrengungen über 50 Mrd. Euro. Doch die republikanische Linke fordert eine Aufweichung oder Aussetzung der 2023 beschlossenen Rentenreform, eine Anhebung des Mindestlohns Smic, Investitionen in den ökologischen Wandel und andere Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit. Es gebe niemanden, der besser dafür geeignet sei, wirtschaftliche und politische Kompromisse zu finden, ist Bernard Spitz überzeugt. Der frühere Vorsitzende des französischen Versicherungsverbandes ist ein alter Schulfreund Lombards. Beide stammen aus dem Pariser Vorort Boulogne-Billancourt und waren Ende der 80er bis zu Beginn der 90er Jahre als Berater für die Regierung tätig.
Nach seinem Ausflug in die Politik ist Lombard 1993 zu Paribas zurückgekehrt, wo er zunächst für Fusionen und Akquisitionen zuständig war und nach dem Zusammenschluss mit BNP Chef der Versicherungssparte wurde. 2013 wechselte der begeisterte Klavierspieler, der mit der Künstlerin Françoise Carré verheiratet ist, an die Spitze von Generali France. Ende 2017 übernahm er auf Vorschlag von Emmanuel Macron die Leitung der staatlichen CDC. Frankreichs Staatsoberhaupt hofft, dass Lombard jetzt bei den Verhandlungen mit der Opposition wieder ein Wunder gelingen wird. So wie am 11. September 2001, als er eigentlich ein Treffen im New Yorker World Trade Center hatte, das im letzten Moment abgesagt wurde.