ESG-Frau mit zwei Gesichtern
ESG-Frau mit zwei Gesichtern
Von Anna Sleegers, Frankfurt
Mit der Zahlung einer Geldbuße von 25 Mill. Euro hat die Fondsgesellschaft DWS vor wenigen Tagen ein Kapitel abgeschlossen, das sie auf vielen Ebenen auf Trab gehalten hat und tiefe Kratzer in ihrem Image hinterlassen hat. Angestoßen hatte die spektakuläre Greenwashing-Affäre ausgerechnet die eigene ESG-Chefin. Kein Wunder, dass Desiree Fixler eine Riesenwelle verursachte, als sie 2022 als Whistleblowerin gegen ihren eigenen Arbeitgeber öffentlich zu Felde zu zog.
Erfolglose Gespräche mit dem CEO
Fixler behauptet, ihre kurze, aber folgenreiche Karriere bei der DWS habe im Juni 2020 begonnen. Einen Arbeitsvertrag hatte sie nicht, sodass sie mit ihrer Kündigungsklage gegen die DWS unterlag, die sie in der Probezeit wähnte. Wie die Britin dem Wirtschaftsmagazin Forbes in einem Interview erzählte, merkte sie schon bald, dass bei ihrem neuen Arbeitgeber in Sachen ESG eine riesige Kluft bestand zwischen der Außendarstellung und den tatsächlichen Anstrengungen. Sie habe sich intensiv bemüht, das Thema mit dem damaligen DWS-Chef Asoka Wöhrmann zu besprechen und auch den Aufsichtsrat kontaktiert, dessen Vorsitzende der langjährige Deutschbanker Karl von Rohr innehatte. Beide sollten über die Greenwashing-Affäre stolpern.
Tiefgrüne Werbebotschaften
Fixlers Kritik: Einige der im Geschäftsbericht und anderen Publikationen der DWS veröffentlichten Behauptungen seien nicht bloß substanzlos, sondern auch übertrieben, irreführend und schlicht falsch gewesen. Anders als bei ihren Chefs fand Fixler mit diesen Vorwürfen in der deutschen Medienlandschaft offene Ohren vor. Schließlich quollen die Mailboxen der Wirtschaftsredaktionen damals über von tiefgrüner Produkt-PR von Investmentfirmen. Ihre milliardenschweren Portfolios waren angeblich so gut für Klima und Umwelt, dass man sich unwillkürlich fragte, auf welchem Planeten sie eigentlich investierten. Mit den realen Gegebenheiten der Wirtschaft jedenfalls passten diese Werbebotschaften nicht zusammen. Da kamen die Offenbarungen der Kronzeugin gerade Recht.
Verdacht auf Kapitalanlagebetrug
Und auch bei der Staatsanwaltschaft fand Fixler Gehör. Im Frühsommer 2022 machte die erste Razzia in der Angelegenheit Furore. Rund 50 Mitarbeiter der Frankfurter Staatsanwaltschaft, des Bundeskriminalamts und der BaFin durchsuchten die Büros der Deutschen Bank und ihrer Fondstochter. Im Raum stehe der Verdacht auf Kapitalanlagebetrug in Form von Prospektbetrug bei nachhaltigen Fonds, wie die eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft damals sagte. Das Ermittlungsverfahren richte sich gegen bislang unbekannte Mitarbeiter und Verantwortliche der DWS.
Zwei Jahre unter Verdacht
Fast zwei ganze Jahre sollte dieser Verdacht im Raum stehen. Erhärtet hat er sich trotz vieler weiterer Razzien nicht. Belangt wurde die DWS am Ende wegen einer Ordnungswidrigkeit. Übersetzt man die Mitteilung der Ermittlungsbehörde aus dem Verwaltungsdeutschen, bleibt der Vorwurf übrig, dass die Fondsgesellschaft überzogenes Marketing betrieben hat.
Fixler selbst zog zurück nach London, wo sie den Ruhm nutzte, um sich als ESG-Beraterin selbständig zu machen. Auf LinkedIn ist die Bankerin, die ursprünglich aus dem Kapitalmarktgeschäft kommt, noch immer sehr aktiv. Für Befremden sorgt sie immer wieder mal mit Posts, in denen sie Sympathie für die Anti-ESG-Bewegung zu bekunden scheint. Ob es ihr dabei darum geht, die reine Lehre zu verteidigen, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Auf eine Gesprächsanfrage der Börsen-Zeitung reagierte sie bislang nicht.