Ex-Vonovia-CFO Kirsten will Adler auf Kurs bringen
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Mit einem überraschenden Neuzugang sorgt der Wohnimmobilienkonzern Adler Group, der von Shortsellern angegriffen wird, für Aufsehen. Der frühere Vonovia- und Thyssenkrupp-Finanzvorstand Stefan Kirsten übernimmt nämlich den Vorsitz des Verwaltungsrats. Vorgänger Peter Maser, ein Rechtsanwalt, fungiert künftig als Stellvertreter. Kirsten tritt mit sofortiger Wirkung an. Als in Luxemburg ansässiges Unternehmen hat Adler Group, anders als deutsche Aktiengesellschaften, eine einstufige Leitungsstruktur.
Für Adler ist die Berufung Kirstens erst einmal ein Reputationsgewinn. Denn der selbstbewusste Finanzexperte verfügt über etwas, das der Konzern dringend braucht: Standing am Kapitalmarkt. Prompt legte die Aktie am Mittwoch im Tagesverlauf 8% zu. Darüber hinaus bringt Kirsten jede Menge Erfahrung aus leitenden Positionen in verschiedenen Industrien mit. Beim Handelskonzern Metro brachte er es zum Finanzvorstand, um dann 2002 in gleicher Funktion zu Thyssenkrupp zu wechseln, wo ihm der angestrebte Sprung auf den Chefsessel verwehrt blieb.
Anfang 2011 ging er zum Vonovia-Vorläufer Deutsche Annington. Kirsten refinanzierte die damals größte Immobilienverbriefung Europas in Höhe von 5,8 Mrd. Euro und setzte damit den Grundstein für den Börsengang 2013. Es folgten die Übernahme des Wettbewerbers Gagfah, in die er maßgeblich involviert war, und der Aufstieg in den Dax. Im Frühjahr 2018 verließ Kirsten, der in wenigen Tagen seinen 61. Geburtstag feiert, Europas führenden privaten Wohnungskonzern aus freien Stücken.
Adler Group sei ein schwieriger, aber kein hoffnungsloser Fall, sagt Kirsten. Das Unternehmen habe einen tiefgehenden Vertrauensverlust erlitten. Seine neue Tätigkeit geht der Verwaltungsratschef, der nach eigenem Bekunden noch keine Detailkenntnis zu Adler hat, mit dem Ziel an, den Druck abzumildern, unter dem der Konzern steht, und das Vertrauen wiederherzustellen.
Als Schwerpunkte nennt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung das Thema Governance, die Sonderprüfung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und das Bilanzkontrollverfahren der Finanzaufsicht BaFin. Er werde prüfen, ob es Defizite in der Governance gebe, und wolle den Prozess, nicht den Inhalt der Sonderprüfung „berechenbarer“ machen. Die forensische Untersuchung von KPMG zieht sich hin, so dass Adler die Bilanzvorlage verschoben hat. Das BaFin-Verfahren stuft der neue Verwaltungsrat als Routine ein.
Mehr Kommunikation
Darüber hinaus kündigt Kirsten an, die Kommunikation mit externen Stakeholdern und Medien zu verstärken: „Adler hat in der Vergangenheit nicht viel kommuniziert. Das soll sich ändern.“ Insbesondere hat der Konzern, anders als angekündigt, bisher keine umfassende Stellungnahme zu den Vorwürfen von Viceroy, der Researchfirma Perrings, vorgelegt.
Die Marktreaktion, also den Absturz der Aktie und die Kursverluste der Bonds, hält Kirsten für übertrieben. Eine Einschätzung, die er mit dem Kauf von 50000 Adler-Group-Aktien seit Veröffentlichung des Viceroy-Reports im vergangenen Oktober untermauert. Die letzten Anteile habe er nach dem Rücktritt von Michael Bütter erworben, dem bisherigen Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, den Kirsten gut kennt. Bütters Weggang habe nichts mit den aktuellen Turbulenzen zu tun. Er war mit möglichen Interessenkonflikten durch die Übernahme zusätzlicher Aufgaben in der regulierten Immobiliensparte von Union Investment begründet worden.
Kirsten sieht seine Rolle als unabhängiger Verwaltungsrat. Er sei kein Vertreter von Vonovia, die Zugriff auf 13,3% des Aktienkapitals hat und schlussendlich Adler übernehmen könnte. Die Mandate bei Vonovia Finance und beim Immobilienunternehmen Vivion, hinter dem der israelische Geschäftsmann Amir Dayan steht, sowie weitere Funktionen habe er niedergelegt. Geboren wurde Kirsten in Berlin, der Stadt, in der sich der größte Teil der verbliebenen Adler-Wohnungen befindet.
Viceroy wirft Adler Group schwerwiegende Verfehlungen wie Betrug, finanzielle Falschdarstellung und Geschäfte mit verbundenen Parteien zulasten von Anleihegläubigern und Aktionären vor. Um die hohe Verschuldung abzubauen, hat der Konzern zwei große Wohnungsverkäufe unter Dach und Fach gebracht und einen weiteren Deal, die Trennung von der Tochter Brack Capital Properties, eingefädelt. Kirsten versichert, dass die Verkäufe keine Reaktion auf die Viceroy-Attacke seien. Solche Transaktionen benötigten Monate Vorlauf. Sie seien bereits vor Bekanntgabe der Vorwürfe eingeleitet worden. Adler-Großaktionär Aggregate begrüßt Kirstens Berufung. Sie werde dazu beitragen, dass Adler ihren Ruf wiederherstellen könne.