Touristikkonzern

Fritz Joussen geht bei Tui von der Brücke

Tui-Chef Fritz Joussen tritt vorzeitig ab, nachdem er die existenzielle Krise des Unternehmens infolge der Corona-Pandemie als gebannt ansieht. Die Aufräumarbeiten und die weitere Transformation des Touristikkonzerns überlässt er seinem Nachfolger.

Fritz Joussen geht bei Tui von der Brücke

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Tui-Chef Fritz Joussen tritt überraschen vorzeitig ab. Der 59-Jährige, der den Touristikkonzern seit zehn Jahren führt und in der Corona-Pandemie eine existenzielle Krise zu bewältigen hatte, übergibt zum Ende des laufenden Turnus am 30. September das Steuer an seinen Weggefährten Sebastian Ebel – ebenfalls 59. Dieser leitete bisher das Finanzressort. Dort folgt ihm Mathias Kiep, bislang Group Director Controlling, Corporate Finance und Investor Relations. Kiep verfügt laut der Tui über jahrelange Kapitalmarkt- und Transaktionserfahrung und war unter anderem im Investment Banking bei BNP Paribas und Lazard tätig. Bei Tui prägte er die Transformation des Deutschlandgeschäfts mit.

Joussens Vertrag lief eigentlich noch bis 2025. Er macht jedoch von einem Rücktrittsrecht Gebrauch, das ihm im Zusammenhang mit den staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen durch den Zusammenbruch des Geschäfts in der Coronakrise eingeräumt wurde. Die Tui habe „für alle Positionen im Management seit Jahren eine sehr vorausschauende Nachfolgeplanung“, betonte Joussen. Er finde den Zeitpunkt für einen Wechsel „jetzt sehr passend“, nachdem das Unternehmen „das harte Kapitel Krise“ hinter sich habe und es nun an „Wiederaufbau und Neustart“ gehe. Den notwendigen Schuldenabbau zur Reparatur der strapazierten Bilanz sowie den weiteren Transformationsprozess überlässt der bisherige Architekt des Umbaus nun seinem Nachfolger.

Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Dieter Zetsche nannte Ebel dafür eine „exzellente Besetzung“. Der Diplomkaufmann ist ein Konzernurgestein und war schon für die Vorgängergesellschaft Preussag tätig . Nach einem Intermezzo bei ATU und als Finanzchef von Vodafone Deutschland kehrte er 2013 zur Tui zurück und hatte als zuständiger Vorstand für das Tagesgeschäft maßgeblichen Anteil am Ausbau der definierten strategischen Wachstumsbereiche Hotels, Kreuzfahrten und Urlaubserlebnisse. Für Joussen selbst war Ebel „ein sehr geschätzter und verlässlicher Ratgeber, Vertrauter und Sparringspartner“. Er stehe für „Kontinuität und Verlässlichkeit“ und genieße das Vertrauen von Geschäftspartnern und Investoren, betonte der scheidende CEO.

Joussen geht von der Brücke eines Kolosses aus schwimmenden und stationären Hotels. Der Elektroingenieur, der seine Karriere bei Mannesmann begonnen hatte und nach der Übernahme durch Vodafone zum Chef des Deutschlandgeschäfts aufgestiegen war, hat die Tui seit seinem Antritt als CEO 2013 komplett neu ausgerichtet. Zetsche, der „die Entscheidung von Fritz Joussen“ ausdrücklich bedauerte, erklärte, der Wandel sei „ganz maßgeblich seine Erfolgsgeschichte“. Der Manager habe „einen von der Zerschlagung bedrohten Konzern übernommen, ihn erfolgreich umgebaut und der Tui ihre heutige zukunftsfeste Gestalt gegeben“.

Asset-Verkäufe

Joussen betrieb den Merger mit Tui Travel, um anschließend aus einem mäßig profitablen Reiseveranstalter einen „integrierten Touristikkonzern“ mit deutlich zweistelliger Kapitalrendite zu formen. Den Aufbau des milliardenschweren Hotel- und Kreuzfahrtschiff-Portfolios, von Joussen stets als „Asset-Right-Strategie“ etikettiert, finanzierte er durch den Verkauf von Randaktivitäten, wie unter anderem der Tochter Hapag Lloyd Cruises an das zusammen mit Royal Caribbean betriebene Kreuzfahrt-Joint-Venture Tui Cruises.

In der Krise drohte dem Unternehmen indes die Kapitalbindung zum Verhängnis zu werden. Der Verkauf weiteren Tafelsilbers in Gestalt von Hotelimmobilien erwies sich als Tropfen auf den heißen Stein, so dass der Konzernchef während der Pandemie gleich mehrfach um milliardenschwere Staatshilfe – insgesamt 4,3 Mrd. Euro – ersuchen musste. Das zurückliegende Geschäftsjahr beendete Tui mit Nettoschulden von fast 5 Mrd. Euro. Joussen hätte auch bereits ausscheiden können, als sich infolge der Staatshilfe seine Vertragsbedingungen änderten – Vorstände bei staatlich gestützten Unternehmen dürfen keine Boni kassieren. Er habe sich verantwortlich gefühlt, die Tui durch die Krise zu führen, erklärte der Manager, dessen bekannte rheinische Frohnatur damit auf eine schwere Probe gestellt wurde – nicht nur weil die Auszahlung seiner Boni warten muss, bis die Staatshilfen zurückgezahlt sind, sondern auch, weil er zeitweise täglich mit der Frage konfrontiert war, ob er den Gang zum Amtsgericht antreten müsste und sich andernfalls der Insolvenzverschleppung schuldig machte.

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