Italien

Für Pirelli-Chef Tronchetti Provera ist noch lange nicht Schluss

Der langjährige Pirelli-CEO Marco Tronchetti Provera gibt zwar 2023 seinen Posten als CEO ab. Doch als Vizepräsident mit weitreichenden Vollmachten bleibt er sehr stark präsent.

Für Pirelli-Chef Tronchetti Provera ist noch lange nicht Schluss

bl

Für Pirelli-Chef Marco Tronchetti Provera ist noch nicht Schluss. Zwar gibt der 74-Jährige im Frühjahr 2023 – wie geplant – seinen Posten als CEO an den stellvertretenden CEO Giorgio Luca Bruno, Jahrgang 1960, ab. Doch Tronchetti Provera will bis 2026 Vizepräsident mit deutlich erweiterten Befugnissen bleiben. Er wird verantwortlich für Strategie, die Umsetzung des Geschäftsplans sowie die Beziehungen zu Aktionären, Investoren und Medien bleiben.

Gleichzeitig wird der Aktionärspakt zwischen dem chinesischen Großaktionär Chem China (37%) und der von Tronchetti Provera kon­trollierten Comfin (14,1%) bis 2026 verlängert. Interessantes Detail dabei ist, dass der chinesische Silk Road Fund, der 9% des Kapitals hat, nicht mehr Teil des Paktes ist.

Die Vereinbarung ist zentraler Bestandteil des Einflusses des hoch gewachsenen und stets eleganten Managers, der seit 1992 an der Unternehmensspitze steht. Der Pakt stellt sicher, dass der Firmensitz, der Großteil der Forschung und Entwicklung und das Management italienisch bleiben. Das kann nur auf Wunsch von 90% des Kapitals geändert werden. Tronchetti Provera aber kontrolliert mehr als 14% und hat eine Sperrminorität. Und was sein persönliches Engagement im Unternehmen angeht, so hat der CEO, der einst mit dem legendären Fiat-Chef Gianni Agnelli verglichen wurde, der Börsen-Zeitung schon im vergangenen Jahr gesagt: „Pirelli ist und wird immer Teil meines Lebens sein.“

Tronchetti Provera ist seit mehr als 35 Jahren Aktionär des Unternehmens, das seinen Sitz im ehemaligen Industrieviertel Bicocca im Mailänder Norden hat. Der aus einer Unternehmerfamilie stammende Mailänder heiratete 1978 in zweiter Ehe Cecilia Pirelli, Urenkelin des Firmengründers Giovanni Battista Pirelli. An die Unternehmensspitze kam er, nachdem sich Schwiegervater Leopoldo Pirelli bei der geplanten Akquisition von Continental übernahm und scheiterte. Das hoch verschuldete Unternehmen geriet damals in schwere Turbulenzen. Tronchetti Provera übernahm, unterzog Pirelli einer Rosskur und trennte sich im Laufe der Zeit von vielen Aktivitäten. Der Einstieg bei Telecom Italia (TIM) erwies sich als schwerer Fehlschlag und bescherte Pirelli abermals hohe Verluste. Nachdem zunächst die russische Rosneft eingestiegen war, erwarb 2015 Chem China zunächst die Mehrheit, die sie im Zuge des Börsengangs jedoch wieder abgab.

Der Vater von drei Kindern, dessen dritte Ehe auch schon Vergangenheit ist, setzt nach dem Verkauf des Industriereifengeschäfts vor allem auf Hightech- und grüne Reifen. Bisher mit Erfolg. Obwohl das Engagement in Russland eingefroren ist, legte Pirelli für das erste Quartal Rekordergebnisse vor.

 (Börsen-Zeitung, 18.5.2022)