Infineon-CEO Hanebeck unter Druck
Geduldsprobe für den Chef von Infineon
sck München
Von Stefan Kroneck, München
Jochen Hanebeck bekommt Gegenwind. Nach einem Rekordgeschäftsjahr 2023 muss der Vorstandsvorsitzende von Infineon im laufenden 12-Monats-Berichtsturnus kleinere Brötchen backen. Umsatz, Ergebnis und Margen des größten Halbleiterkonzern Deutschlands gehen zurück. Vor kurzem senkte der CEO abermals seine Jahresprognose.
Es war Hanebecks zweite Gewinnwarnung binnen drei Monaten. Dämpfte bislang eine anhaltende Flaute im Konsumgüterbereich (Smartphones, Personalcomputer usw.) die Geschäftsperspektiven, so drückt neuerdings die Nachfrageschwäche bei Elektroautos das Dax-Mitglied mit Sitz in Neubiberg bei München. Infineon erzielt rund die Hälfte des Konzernumsatzes mit Leistungschips für Autos.
Überzeugungsarbeit
Doch statt Infineon aufgrund der schlechten Nachrichten mit einem Kurseinbruch abzustrafen, wie es in solchen Fällen eigentlich üblich ist, reagierten die Anleger auf die Aussagen des CEO geradezu euphorisch. Die Aktie von Infineon sprang an jenem Tag in der ersten Maihälfte um 12%. Damit war eine Talfahrt des Titels in den vorherigen Wochen beendet. Seitdem befindet sich das Papier auf Erholungskurs.
Hanebeck gelang in einer für das Unternehmen schwierigen Situation in der Kommunikation mit dem Kapitalmarkt das Kunststück, die Investoren dennoch zu überzeugen. Der hochgewachsene Elektrotechnikingenieur geht davon aus, dass der Konzern die geschäftliche Talsohle durchschritten hat. Er bezeichnet 2024 als „Übergangsjahr“. Das impliziert die Erwartung, dass es von nun an besser wird. Der CEO übt sich damit zugleich in Geduld.
Der 56-jährige Topmanager konnte offensichtlich mit seiner sachlichen, ausgeglichenen Art punkten. Theatralische Auftritte zählen nicht zum Charakter des gebürtigen Dortmunders. Der Konzern ist mittlerweile stabil genug aufgestellt, um zyklische Tiefs gut zu überwinden. Trotz der widrigen Lage fielen die Quartalszahlen relativ robust aus. Der Vorstandschef hält an seiner Strategie fest. Er setzt auf ein nachhaltig, strukturell solide untermauertes Wachstum in den Kerngeschäftsfeldern, darunter Automotive und Energie.
Auf die Margenerosion reagiert Hanebeck allerdings mit Sparmaßnahmen. Dazu gehört auch ein begrenzter Personalabbau. Zuletzt wurde bekannt, dass Infineon rund 300 Stellen am Standort Regenburg streicht. Das Unternehmen beschäftigt weltweit über 59.000 Personen. Unter der Regie des Vorstandschefs kürzt Infineon etwas das Investitionsbudget für 2024. Im Kern hält Hanebeck jedoch an den geplanten Kapazitätserweiterungen fest. Infineon baut unter anderem ihren Standort Dresden aus, auch mit Hilfe von staatlichen Subventionen. In der wettbewerbsintensiven, schnelllebigen Halbleiterbranche setzt er auf moderne Siliziumkarbid-Leitungshalbleiter, mit denen sich Effizienzgewinne in den Anwendungen auf vielerlei Ebenen umsetzen lassen. Dabei macht Hanebeck Tempo. Wer sich eine technologische Führerschaft im Chipdesign erarbeitet, dem winken hohe Renditen.
Risikobereit
Der CEO geht dabei ein Risiko ein. Auf lange Sicht drohen Überkapazitäten. Es schmälert die Gewinne, wenn Wettbewerber nachziehen. Das entspricht aber dem üblichen Zyklus in der Chipindustrie. Für Infineon im Allgemeinen und Hanebeck im Besonderen ist das Umfeld herausfordernd. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China sorgt am Markt für Verunsicherung. Der Investitionswettlauf zwischen den USA, der EU und Fernost im Hochtechnologiesektor Chips führt zu Stress.
Mit ruhiger Hand
Dank seiner umfangreichen Kenntnisse steuert Hanebeck das Unternehmen weitgehend mit ruhiger Hand. Der verheiratete Vater von zwei Kindern führt Infineon seit über zwei Jahren. Im April 2022 übernahm er den Posten von Reinhard Ploss, der in den Ruhestand wechselte.
Sein derzeitiger Vertrag läuft bis März 2027. Seit 30 Jahren arbeitet Hanebeck für Infineon, das noch zu Beginn seiner beruflichen Karriere zum Siemens-Konzern gehörte. 2016 rückte er in den Vorstand auf. Bis zu seinem Sprung an die Konzernspitze war er im obersten Führungsorgan für die Produktion verantwortlich. Die in dem Schlüsselressort gemachten Erfahrungen prägen ihn bis heute.