Italien nominiert Cipollone statt Franco für EZB-Direktorium
Italiener Cipollone statt Franco ins EZB-Direktorium
ms/rec Frankfurt/Brüssel
Überraschende Wendung in der Debatte über die Nachfolge von EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta: Die italienische Regierung hat jetzt den stellvertretenden Gouverneur der italienischen Zentralbank, Piero Cipollone, für den Posten nominiert. Noch vor wenigen Tagen hatte es geheißen, dass Rom den früheren Wirtschafts- und Finanzminister Daniele Franco nach Frankfurt schicken wolle (vgl. BZ vom 22. August). Da kein anderes Euro-Land einen Kandidaten nominiert hat, gilt die Berufung Cipollones als sicher.
Nachfolger für Panetta
Die Frist für die Nominierung von Kandidaten endete am Mittwoch. Eurogruppen-Präsident Paschal Donohoe teilte danach mit, dass nur Italien einen Vorschlag gemacht habe, und zwar Cipollone. Bei der nächsten Sitzung der Eurogruppe am 15. September im spanischen Santiago de Compostela soll die Kandidatur demnach besprochen werden. Panetta scheidet zum 1. November aus dem EZB-Direktorium aus, weil er dann die Nachfolge von Ignazio Visco an der Spitze der italienischen Zentralbank, der Banca d’Italia, antritt (vgl. BZ vom 29. Juni).
Cipollone, Jahrgang 1962, gehörte zum anfänglichen Kreis der Anwärter auf die Nachfolge – anders als Franco. Umso überraschender war, als es dann hieß, dass Finanzminister Giancarlo Giorgetti seinen Vorgänger Daniele Franco als Nachrücker für Panetta im EZB-Direktorium „ausgesucht“ habe. Nun fiel die Wahl Roms schließlich doch auf Cipollone.
Veteran der Banca d’Italia
Cipollone ist ein wahrer Notenbankveteran. Fast seine ganze berufliche Karriere hat er bei der Banca d’Italia verbracht. Zwischendurch war er nur kurzzeitig Exekutivdirektor seines Landes bei der Weltbank in Washington. Seinen aktuellen Posten als Notenbankvize hat er seit drei Jahren inne. Cipollone hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der Universität La Sapienza in Rom und einen Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der Universität Stanford.
Mit der alleinigen Nominierung und der absehbaren Berufung Cipollones wird auch das ungeschriebene Gesetz fortgeschrieben, dass die vier großen Euro-Volkswirtschaften – Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien – stets einen Posten in dem sechsköpfigen Gremium besetzen. Immer wieder gibt es aber Diskussionen, ob das durchzuhalten ist. Diese entzündeten sich in der Vergangenheit nicht zuletzt bei den vorzeitigen Abgängen deutscher Notenbanker – Jürgen Stark, Jörg Asmussen, Sabine Lautenschläger. Vor allem die osteuropäischen Zentralbanken haben bislang noch nie ein EZB-Direktoriumsmitglied gestellt, was viele von ihnen gerne ändern würden.
Auf Cipollone warten in der EZB große Herausforderungen. Nicht nur, dass der Kampf gegen die hartnäckig hohe Inflation aktuell alle Aufmerksamkeit verlangt. Zugleich wird das Projekt digitaler Euro immer konkreter. Derzeit ist dafür im EZB-Direktorium Panetta zuständig. Am Montag wird der Italiener einmal mehr in Brüssel erwartet, um die EU-Parlamentarier im Wirtschafts- und Währungsausschuss auf den aktuellen Stand zu bringen und ihnen Rede und Antwort zu stehen. Es dürfte Panettas letzter derartiger Auftritt in seiner Funktion als EZB-Direktor und Verantwortlicher für das Projekt digitaler Euro sein.
Ob Cipollone Panettas Aufgabengebiet inklusive der Zuständigkeit für den digitalen Euro übernimmt, ist nicht ausgemacht, aber gut vorstellbar. In jedem Fall wird der Neue aus Italien über das Tagesgeschäft hinaus zwischen der EZB und der Regierung in Rom vermitteln müssen. In den vergangenen Wochen hatte Rom seine Attacken auf die EZB und den anhaltenden Zinserhöhungskurs noch einmal verschärft. Vize-Regierungschef Matteo Salvini hatte die EZB-Politik sogar als „unsinnig und gefährlich“ kritisiert (vgl. BZ vom 28. Juni).
Franco Außenseiter für EIB
Daniele Franco bleibt somit im Rennen um einen anderen Spitzenjob auf europäischer Ebene: den Chefposten der Europäischen Investitionsbank (EIB). Der wird Anfang 2024 vakant, weil der derzeitige EIB-Präsident Werner Hoyer nach zwölf Jahren turnusmäßig ausscheidet. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass Italien bei der Nachbesetzung leer ausgeht, denn Franco gilt als Außenseiter.
Das liegt an hochkarätiger Konkurrenz aus Dänemark und Spanien. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und Spaniens Wirtschaftsministerin Nadia Calviño haben sich ebenfalls beworben. Nach Lage der Dinge läuft es auf einen Zweikampf der beiden hinaus, wenn sich die Finanzminister der 27 EU-Staaten mit der EIB-Personalie befassen – ebenfalls Mitte September in Santiago de Compostela.