Jeremy Hunt will Boris Johnson als Premier ablösen
Von Andreas Hippin, London
Jeremy Richard Streynsham Hunt (55) hat 2019 im Kampf um die Parteiführung der britischen Konservativen den Kürzeren gezogen. Doch als sich abzeichnete, dass die Lockdown-Partys in der Downing Street seinen Rivalen Boris Johnson zu Fall bringen könnten, meldete sich der Sprössling von Admiral Nicholas Hunt zurück. „Ich würde nicht sagen, dass sich meine Ambitionen komplett verflüchtigt haben, aber es müsste viel passieren, um mich dazu zu bewegen, meinen Hut in den Ring zu werfen“, sagte er im Januar dem Magazin „House“. Zugleich betonte der überzeugte Brexit-Gegner, dass es sich bei den Fragen rund um „Partygate“ um „substanzielle Probleme“ handele.
Johnsons ehemaliger Stratege Dominic Cummings übersetzte das damals wie folgt: Ein Kampf um die Führung steht unmittelbar bevor. Wer einen Sitz im Kabinett haben wolle, solle sich frühzeitig melden. Hunt telefoniere bereits mit Parteispendern und sei dabei, ein Büro für die Kampagne einzurichten. Die jüngste Vertrauensabstimmung konnte Johnson zwar für sich entscheiden, aber nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Der absehbare Verlust zweier Unterhausmandate bei Nachwahlen Ende des Monats könnte einen Grund dafür liefern, die Regeln so zu ändern, dass das nächste Misstrauensvotum nicht erst in zwölf Monaten möglich ist.
Adeliger Oxford-Absolvent
Der aus dem englischen Landadel stammende Oxford-Absolvent ist einer der wenigen Vertreter der liberalen „One Nation“-Strömung der Tories, die noch öffentlich wahrgenommen werden. Der ehemalige Gesundheitsminister hat das negative Image, das ihm seine harte Haltung gegen streikende Krankenhausärzte eingebracht hatte, hinter sich gelassen. Ihm hat weder die mangelnde Vorbereitung des britischen öffentlichen Gesundheitswesens auf die Pandemie noch dessen insgesamt bemitleidenswerter Zustand geschadet, obwohl er von 2012 bis 2018 im Kabinett dafür verantwortlich zeichnete. Er gilt mittlerweile als gestandene Führungspersönlichkeit.
David Cameron und Johnson kennen Hunt noch aus seiner Studienzeit. Nach seinem Abschluss arbeitete er als Unternehmensberater und Englischlehrer in Japan, wo er ein bisschen Japanisch lernte. Er versuchte sich auch als Gründer – mit wechselndem Erfolg. Zusammen mit Mike Elms, einem Freund aus Kindertagen, brachte er Hotcourses an den Start – eine Firma, die Hilfe bei der richtigen Studienwahl bietet und 2017 von der australischen IDP Education übernommen wurde.
In Oxford war Hunt Präsident der konservativen Studentenvereinigung. 2005 zog er für den Wahlkreis South West Surrey ins Unterhaus ein. Im Schattenkabinett des damaligen Oppositionsführers Cameron war er zunächst für Menschen mit Handicap zuständig, danach für Kultur, Medien und Sport.
Als eine konservativ-liberale Koalition 2010 die Labour-Regierung ablöste, wurden ihm auch noch die Vorbereitungen auf die Londoner Olympiade übertragen. Damals machte er sich mit der Andeutung unbeliebt, der Tod von 96 Fußballfans bei der Hillsborough-Katastrophe könnte etwas mit Hooliganismus zu tun haben. Das Amt des Verteidigungsministers, das ihm Johnson 2019 angeboten hatte, schlug er aus. Seitdem führte der Vater dreier Kinder eine relativ unauffällige Hinterbänklerexistenz.
Hunt nannte Johnson wegen seines ausschweifenden Privatlebens ein Sicherheitsrisiko. Demnächst wird er sich ähnlicher Vorwürfe erwehren müssen, denn seine Frau, Lucia Guo, stammt aus der Volksrepublik China. Der „Daily Mail“ zufolge erscheint sie regelmäßig in der Fernsehshow „China Hour“ auf Sky TV, die von der staatseigenen China International TV Corporation, Dove Media und dem Londoner Tourismusbüro der Volksrepublik produziert wird.