Laurent leitet Aufsichtsrat von Rothschild & Co
Von Gesche Wüpper, Paris
Sie gilt als eine der legendärsten Banken der Welt – und in Frankreich als eine Art heiliger Gral des Kapitalismus. Parallel zum Jahreswechsel hat Rothschild & Co einen Epochenwechsel vollzogen. Denn zum ersten Mal seit Bestehen der 1811 von Nathan Mayer Rothschild gegründeten Gruppe steht jetzt mit Marc-Olivier Laurent ein Manager an der Spitze, der kein Mitglied der bekannten Bankiersfamilie ist. Er hat David de Rothschild am 1. Januar als Vorsitzender des Aufsichtsrates abgelöst.
Es gebe keine Doktrin, sagte David de Rothschild im September. Wenn es einen besser qualifizierten Kandidaten gebe und kein Familienmitglied, das über die notwendige Erfahrung oder ein vernünftiges Alter verfüge, sei er die richtige Wahl. Immerhin ist Laurent seit drei Jahrzehnten eine der wichtigsten Stützen der Bank. Der 70-Jährige gilt zusammen mit Generaldirektor Alexandre de Rothschild als der Begründer des Bereichs Risikokapital in der Gruppe.
Laurent, der die Wirtschaftshochschule HEC absolviert und einen Doktortitel in afrikanischer Sozialanthropologie an der Sorbonne erworben hat, begann 1993 bei der Bank, die David de Rothschild nach ihrer Nationalisierung unter Präsident François Mitterrand 1982 wieder aufgebaut hatte. Zwei Jahre später wurde er zum Partner bei Rothschild & Co, einer Gruppe, die mittlerweile mit 3800 Mitarbeitern in 43 Ländern vertreten ist und 2021 Einnahmen in Höhe von 2,9 Mrd. Euro realisierte.
Das Beratungsgeschäft bildet nach wie vor das Herzstück der Aktivitäten. So hat Rothschild & Co etwa Suez bei der Übernahme durch Veolia beraten und Porsche bei seinem Börsengang. Das Beratungsgeschäft macht rund zwei Drittel der Aktivitäten der Bank aus – und daran will auch Laurent nichts ändern. Die Beziehungen, die Rothschild & Co mit ihren Kunden pflege, könne man nicht mit Hilfe von Werbung oder Berichten in der Presse aufbauen, sagte er der Nachrichtenagentur AFP einmal. „Sie bauen sie durch eine tägliche Beziehung auf, die sie mit einem Familienoberhaupt, einem Unternehmenschef oder einem großen Vermögensverwalter aufbauen.“
David de Rothschild, der am 15. Dezember seinen 80. Geburtstag feierte, ist stolz darauf, dass seine Gruppe unter den zehn größten Geschäftsbanken von den Einnahmen auf globaler Ebene im Beratungsgeschäft her die einzige europäische ist. „Sicher, wir sind kein Haus auf demselben Niveau wie die großen amerikanischen Banken“, sagte er „Les Echos“. „Aber mit sieben Büros in Nordamerika haben wir eine herausragende Stellung, die es uns erlaubt, mit Kunden, die in den USA Ambitionen haben, einen Dialog zu schaffen.“