Microsoft heuert Mitgründer von Googles Deepmind als KI-Chef an
Microsoft heuert ehemaligen Widersacher als KI-Chef an
Von Alex Wehnert, New York
Serienunternehmer Mustafa Süleyman ist vor allem als Gründer der von Google übernommenen Technologieschmiede Deepmind bekannt.
Der Technologieriese Microsoft legt wichtige seiner KI-Aktivitäten in die Hände eines streitbaren Ex-Widersachers: Der Konzern aus Redmond hat Seriengründer Mustafa Süleyman als Leiter der Einheit angeheuert, die Endkundenprodukte aus Basis künstlicher Intelligenz entwickelt. Der Brite ist in der Technologieszene vor allem für sein Engagement bei der 2014 von Google übernommenen Deepmind bekannt, die er 2010 gemeinsam mit Geschäftspartnern ins Leben rief.
Die auf KI spezialisierte Programmierschmiede wurde von der Universität Cambridge einst als „Unternehmen des Jahres“ ausgezeichnet und zog Investitionen großer Venture-Geldgeber wie Founders Fund sowie ein Kaufinteresse von Facebook an. Letztlich sicherte sich Google für kolportierte 400 bis 650 Mill. Dollar den Zuschlag und verschmolz Deepmind 2023 mit der eigenen Forschungseinheit Brain.
Milliardenbewertung erzielt
Mitgründer Süleyman verließ das Unternehmen schon Anfang 2022, um seine neue Firma Inflection AI zu gründen. Mit dieser sammelte er bislang 1,5 Mrd. Dollar von Investoren um Microsoft und den Chipdesigner Nvidia ein und erzielte eine Bewertung von 4 Mrd. Dollar. Doch Inflection AI muss künftig ohne den Sohn eines aus Syrien stammenden Taxifahrers und einer englischen Krankenschwester auskommen: Süleyman gibt seine Posten bei dem Start-up auf, um sich ganz der neuen Einheit Microsoft AI zu widmen.
Dort soll der 39-Jährige die Integration des für die Office-Produktsuite lancierten KI-Assistenten Copilot in verschiedene Anwendungen vorantreiben. Dabei bringt er seine Mitgründerin Karén Simonyan und große Teile ihres Teams mit. Microsoft-CEO Satya Nadella zeigte sich in einer E-Mail an Mitarbeiter „begeistert“ über die „Talentspritze“, die es dem Konzern ermöglichen werde, seine bereits „schnellen und intensiven“ KI-Bemühungen „erneut zu beschleunigen“.
Zentrale Rolle für Chief Technology Officer Scott
Die Abgänge zentraler Fachkräfte erfordern für Inflection AI eine Umstellung des Geschäftsmodells von einem Privatkundenansatz auf die Entwicklung für große Unternehmen. Währenddessen zeichnet sich die konkrete Organisation der KI-Strategie von Microsoft nun klarer ab. Neben Süleyman und Rajesh Jha, der für die Weiterentwicklung der Plattform Microsoft 365 zuständig ist, soll Chief Technology Officer Kevin Scott eine zentrale Rolle einnehmen. Er koordiniert nicht nur die Forschung, sondern auch die Kooperation mit Firmen wie OpenAI.
Seit 2019 hat Microsoft insgesamt rund 13 Mrd. Dollar in die für ihren Textgenerator ChatGPT bekannte KI-Schmiede gesteckt und sich dafür eine Beteiligung von 49% an den künftigen Gewinnen gesichert. Nun sah sich Nadella indes gezwungen, in seiner Mail an Mitarbeiter ein ausdrückliches Bekenntnis zur Partnerschaft mit OpenAI abzugeben. Schließlich lizenziert Microsoft die zugrundeliegende Technologie von Inflection AI und will sie Kunden über ihre Cloud-Computing-Einheit zur Verfügung stellen – der nächste Schritt des Konzerns im Bemühen, seine KI-Aktivitäten zu diversifizieren.
Abhängig von OpenAI
Denn die Turbulenzen bei OpenAI im vergangenen November haben Nadella vor Augen geführt, wie stark sich der Konzern von dem jungen Unternehmen abhängig gemacht hat. Damals putschte der Verwaltungsrat der KI-Schmiede gegen Gründer Sam Altman, Nadella griff ein, um den abgesetzten Start-up-Chef wieder auf seinen Posten zu hieven. Die Aktie von Microsoft schwankte in der Zwischenzeit stark. In Reaktion darauf investierte der Softwareriese zuletzt auch in das französische KI-Startup Mistral.
Mit Süleyman holt sich Nadella nun allerdings einen kontroversen Kopf ins Boot. Google stellte ihn 2019 nach Mobbing-Vorwürfen von der Deepmind-Leitung frei und wies ihm eine beratende Rolle im Mutterkonzern zu. Zugleich ist Süleyman aber für seine Mahnungen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit KI bekannt. Es gelte, Gefahren wie Arbeitsplatzverluste und die Verbreitung von Falschinformationen zu überwinden, bevor die Technologie ihr transformatives Potenzial ausschöpfen könne.