Finanzielle Restrukturierung

Mustier übernimmt bei Atos auch operativ das Ruder

Parallel zur Einleitung eines beschleunigten Schutzverfahrens löst Ex-Unicredit-Chef Mustier bei Atos Generaldirektor Saleh ab. Für den angeschlagenen IT-Dienstleister ist es der sechste Führungswechsel innerhalb von vier Jahren.

Mustier übernimmt bei Atos auch operativ das Ruder

Mustier übernimmt bei Atos das Ruder

wü Paris

Kurz vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in Paris geht es bei Atos sportlich zu. Wieder einmal. Bei dem olympischen IT-Partner übernimmt der Verwaltungsratsvorsitzende Jean-Pierre Mustier nun auch operativ das Ruder. Der 63-jährige frühere Unicredit-Chef löst Paul Saleh ab, der seinen Rücktritt eingereicht hat. Der 1957 geborene Amerikaner war erst im August des Vorjahres als Finanzchef zu dem angeschlagenen IT-Dienstleister gekommen und dann im Januar zum Generaldirektor ernannt worden. Mit Mustier bekommt Atos nun bereits den sechsten Chef innerhalb von nur vier Jahren.

Mustier und Saleh haben in den vergangenen Monaten mit den Gläubigern des mit 4,8 Mrd. Euro brutto verschuldeten Konzerns die finanzielle Restrukturierung ausgehandelt. Damit sie umgesetzt werden kann, hat das Handelsgericht Nanterre nun ein beschleunigtes Schutzverfahren eingeleitet. Die Eröffnung dieses Verfahrens stelle für Atos das Ende einer wichtigen Phase der finanziellen Restrukturierung und den Beginn einer neuen Sanierungs- und Entwicklungsphase dar, erklärt der IT-Dienstleister. Vor diesem Hintergrund habe Saleh beschlossen, die Gruppe zu entlassen.

Nur vorübergehend

Verwaltungsratschef Mustier übernehme die operative Geschäftsführung so lange, bis ein neuer Generaldirektor gefunden sei, berichten „Les Echos“ und „Le Monde“ übereinstimmend unter Berufung auf unternehmensnahe Kreise. Demnach soll der frühere Top-Manager von Société Générale diese Aufgabe pro bono übernehmen. Er hatte bei dem bis 2019 von EU-Kommissar Thierry Breton geführten Konzern erst im Oktober den umstrittenen Verwaltungsratschef Bertrand Meunier ersetzt. Dieser war vor allem bei Kleinaktionären in die Kritik geraten, weil er Atos aufspalten und die unter dem Namen Tech Foundations bekannten traditionellen Aktivitäten des stark verschuldeten Konzerns an den tschechischen Milliardär Daniel Křetínský verkaufen wollte.

Doch die Gespräche mit Křetínský darüber scheiterten, genau wie Verhandlungen mit Airbus über den Geschäftsbereich Big Data und Cybersicherheit (BDS). Später machte Křetínský ein Rettungsangebot für den gesamten Konzern, doch Atos zog die Offerte des Konsortiums von seinem größten Aktionär One Point vor. Nachdem dieser die Verhandlungen abgebrochen hatte, einigte sich der IT-Spezialist mit seinen Gläubigern auf eine finanzielle Restrukturierung.

Mehrere Kapitalerhöhungen

Diese sieht eine Überbrückungsfinanzierung von 800 Mill. Euro vor, die Ende des Jahres von neuen Finanzierungen in Höhe von 1,75 Mrd. Euro abgelöst werden sollen. Die Hälfte davon werden die Banken übernehmen, die zu den Gläubigern gehören, die andere Hälfte die Anleihegläubiger. Der Rettungsplan sieht zudem vor, die Verschuldung um mindestens 3,1 Mrd. Euro zu reduzieren. Die erste Anhörung des Handelsgerichts Nanterre dazu ist nach Angaben von Atos für den 15. Oktober geplant. Wenn es seine Zustimmung zu dem Plan gegeben hat, sollen die verschiedenen Kapitalerhöhungen und Ausgaben neuer Finanzierungen in der Zeit von November bis Januar erfolgen.

Je nachdem, wie sich die derzeitigen Aktionäre an den geplanten Kapitalerhöhungen beteiligen, werden Gläubiger nach all den finanziellen Operationen zwischen 74% und 99,9% des Kapitals von Atos halten. Der Verwaltungsrat des Konzerns soll auch künftig hauptsächlich aus unabhängigen Mitgliedern bestehen. Einige Gläubiger sollen nach der Restrukturierung jedoch die Möglichkeit erhalten, Mitglieder dafür vorzuschlagen.