Nachfolger für Premierminister Castex gesucht
Von Gesche Wüpper, Paris
Frankreich sucht den neuen Regierungschef. Seit der Wiederwahl von Präsident Emmanuel Macron überschlagen sich die Spekulationen, wer Premier wird und wer dem neuen Kabinett angehören darf. Regierungschef Jean Castex will zurücktreten, sobald Verfassungsratschef Laurent Fabius die offiziellen Ergebnisse der Stichwahl verkündet hat.
Castex will mit dem Rücktritt den Weg für die Regierungspartei La République en Marche (LREM) freimachen, damit sie mit neuer Mannschaft bei den Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni antreten kann. Der Name seines Nachfolgers dürfte Montag verkündet werden, heißt es in Paris. Wahrscheinlich sei eine Nachfolgerin, weil Macron für mehr Gleichberechtigung sorgen wolle.
Frankreichs Staatsoberhaupt hat angekündigt, dass sein künftiger Regierungschef auch für das Thema Klima zuständig sein und einen für die Energieplanung zuständigen Minister an die Seite gestellt bekommen werde. In den vergangenen Tagen wurden Arbeitsministerin Elisabeth Borne und Landwirtschaftsminister Julien Denormandie als aussichtsreichste Kandidaten für die Nachfolge von Castex gehandelt. Macron hatte den 56-Jährigen im Juli 2020 nach einer Schlappe der Regierungspartei LREM bei den Kommunalwahlen zum Nachfolger des damaligen Premierministers Edouard Philippe ernannt.
Vom Abschneiden von LREM bei den Parlamentswahlen wird abhängen, ob der neue Regierungschef im Amt bleiben kann oder nicht. Der bei den Präsidentschaftswahlen drittplatzierte Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon träumt davon, ihn (oder sie) dann als Premierminister abzulösen. Der 70-Jährige hat deshalb an die Wähler appelliert, im Juni für seine Partei La France Insoumise zu stimmen. Ex-Umweltministerin Ségolène Royal hat indirekt ebenfalls Interesse bekundet. Sollte sie gefragt werden, werde sie darüber nachdenken, antwortete die 68-Jährige in einer Talkrunde des Fernsehsenders BFMTV. „Matignon lehnt man niemals ab“, sagte sie in Anspielung auf den Amtssitz des Premierministers.
Nathalie Kosciusko-Morizet (48), während der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy Umweltministerin, die ehemalige Staatssekretärin Catherine Vautrin (61) und die frühere Chefin der Gewerkschaft CFDT Nicole Notat (74) werden ebenfalls als mögliche Kandidatinnen für das Amt genannt. Viele Franzosen würden sich für diesen Posten Christine Lagarde wünschen, doch die 66-Jährige will ihr Mandat als Chefin der Europäischen Zentralbank erfüllen.
Klimaexperte Jean-Marc Jancovici (60), der Europa-Abgeordnete Pascal Canfin (47) sowie Eric Lombard (63), der Chef des staatlichen Finanzinstituts CDC, könnten Minister werden, wird in Paris spekuliert. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, Haushaltsminister Olivier Dussopt, Innenminister Gérald Darmanin und Regierungssprecher Gabriel Attal dürften auch der neuen Regierung angehören. Canfin, der früher den Grünen und später der Regierung von François Hollande als beigeordneter Minister angehörte, plädierte dafür, dass eine Frau Nachfolgerin von Castex werden sollte. Es sei 30 Jahre her, dass Frankreich in Edith Cresson eine Regierungschefin gehabt habe, sagte er. „Deshalb denke ich, es hat Priorität, eine Frau als Premierministerin zu haben.“