Notenbanken

Nagel folgt Weidmann als Bundesbankchef

Joachim Nagel soll Jens Weidmann an der Spitze der Bundesbank ablösen. Für den 55-Jährigen bedeutet das eine Rückkehr zu seinen Wurzeln. Geldpolitisch steht er in der Tradition der Bundesbank, auch wenn er als pragmatisch gilt.

Nagel folgt Weidmann als Bundesbankchef

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Bei der Bundesbank hat er einst seine berufliche Laufbahn so richtig gestartet, und jetzt krönt er bei der Bundesbank auch seine bisherige Karriere: Joachim Nagel soll zum 1. Januar 2022 neuer Präsident der Notenbank werden, wie die Am­pel-Koalition am Montag mitteilte. Da­mit wurde offiziell, worüber seit Wo­chen spekuliert worden war und was sich zuletzt stark abgezeichnet hatte (vgl. BZ vom 4. De­zember). Nagel folgt damit auf Jens Weidmann, der im Oktober überraschend seinen vorzeitigen Rücktritt vom Amt angekündigt hatte – auch aus Frust über die EZB-Politik.

Der 55-Jährige hatte 1999 bei der Bundesbank angefangen, nachdem er in Karlsruhe Volkswirtschaftslehre studiert und promoviert sowie 1994 kurzzeitig als Referent für Wirtschafts- und Finanzpolitik beim SPD-Parteivorstand in Bonn gearbeitet hatte. Nagel war zunächst Leiter des Büros des Präsidenten der damaligen Landeszentralbank in Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in Hannover, Hans-Helmut Kotz. 2003 wechselte er in die Bundesbank-Zentrale in Frankfurt, und 2008 wurde er Leiter des Zentralbereichs Märkte.

Geschätztes Eigengewächs

Im Dezember 2010 ersetzte Nagel schließlich den zurückgetretenen Thilo Sarrazin im Bundesbankvorstand. Er war damit der Erste überhaupt, der den Sprung vom Posten des Zentralbereichsleiters – der Ebene unterhalb des Vorstands – in das Führungsgremium schaffte, das von Bund und Ländern besetzt wird, weswegen die Nominierungen zumeist auch einen parteipolitischen Charakter haben und die Posten eher extern besetzt werden. Der Aufstieg Nagels war mithin auch Ausdruck des enorm guten fachlichen Rufs, den er sich in der Bundesbank erworben hatte. Im Vorstand war Nagel für das wichtige Ressort Märkte zuständig und damit auch für die konkrete Umsetzung der EZB-Geldpolitik.

2016 wechselte das Bundesbank-Eigengewächs schließlich zur Förderbank KfW, wo er 2017 in den Vorstand rückte. Dort war er für die Förderung von Entwicklungs- und Schwellenländern verantwortlich. 2020 folgte der Wechsel zur Zentralbank der Zentralbanken BIZ in Basel, wo er Vizechef der Banken-Abteilung wurde, wobei so mancher an das Motto erinnerte „Einmal Notenbanker, immer Notenbanker“. Jetzt also schließt sich der Kreis von der Bundesbank über die KfW und die BIZ wieder zur Bundesbank.

„Ich möchte keinen Tag bei der Bundesbank missen“, hatte Nagel im Frühjahr 2016, als er die Bundesbank in Richtung KfW verließ, im Interview der Börsen-Zeitung gesagt. Jetzt also kommen noch viele weitere hinzu: Die Amtszeit des Bundesbankpräsidenten dauert acht Jahre. Weidmann, der Nagel stets geschätzt und gefördert hat, tritt nun nach zehn Jahren und weit vor der Mitte seiner zweiten Amtsperiode zurück.

Für Nagel hat jetzt sicher gesprochen, dass er ein erfahrener Währungshüter ist, der in seiner Zeit bei der Bundesbank auch in europäischen und internationalen Notenbankkreisen einen sehr guten Ruf genoss und in der Welt der Geldpolitik bestens verdrahtet ist. Er ist zudem ein ausgewiesener Kenner der Finanzmärkte – was für die Notenbanken in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden ist; auch wenn mancher Kritiker argwöhnt, die Notenbanken schielten zu sehr auf die Märkte. Und Nagel ist darüber hinaus sicher auch in der Bundesbank sehr gut vermittelbar. Er bedeutet auch eine gewisse Kontinuität.

Geldpolitisch hat er in seinen 17 Jahren die Bundesbank-DNA verinnerlicht, und er steht für die stabi­litätspolitische Orientierung der Notenbank. Immer wieder hat er sich durchaus auch kritisch zur ultralockeren Geldpolitik geäußert. Insofern steht er vielen Positionen Weidmanns nicht fern, der vor allem breite Staatsanleihekäufe stets kritisch sah und dessen öffentlicher Widerstand ihm auch die Bezeichnung „Anti-Draghi“ einbrachte – als Gegenspieler von Ex-EZB-Präsident Mario Draghi. Nagel sagte 2016 im Interview der Börsen-Zeitung etwa, die Geldpolitik sei „kein Allheilmittel für jedes Problem im Euroraum“. Auch Nagel dürfte also künftig so manche hitzige Diskussion im EZB-Rat bevorstehen, in dem die Verfechter einer eher lockeren Geldpolitik eine klare strukturelle Mehrheit haben.

Exit-Debatte steht ins Haus

Zugleich gilt Nagel aber als pragmatisch und kompromissfähig. Das scheint umso wichtiger, als in den vergangenen Jahren immer wieder deutsche Notenbanker im Streit über die EZB-Politik vorzeitig aus dem Direktorium oder dem Rat der Zentralbank ausgeschieden sind, – was in Europa ein Thema ist. Im September 2013 gab Nagel, der stets freundlich auftrifft, aber hart in der Sache argumentiert, der Börsen-Zeitung ein ge­meinsames­ Interview mit dem damaligen EZB-Direktoriumsmitglied Be­noît Cœuré. Nach dem Streit über das Staatsanleihekaufprogramm OMT zwischen der EZB und Draghi auf der einen und der Bundesbank und Weidmann auf der anderen Seite ging es dabei auch darum zu zeigen, dass es bei allen Kontroversen auch viele Gemeinsamkeiten gibt.

Solche Gemeinsamkeiten muss Nagel künftig nun also im EZB-Rat finden – oder mit der Kraft seiner Argumente für seine Positionen werben. Bislang macht die EZB trotz hoher Inflation nur sehr zaghafte Schritte in Richtung Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik.

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