Neskes Flirt mit Fridays for Future
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Rainer Neske ist es zu still im Land. Es treibt den CEO der LBBW mächtig um, dass Deutschland viel zu wenig über „Zeitenwendethemen“ diskutiert. „Wie etwa gehen wir mit unserer künftigen Wettbewerbsfähigkeit um?“, stellt der 58-Jährige in den Raum. Wie mit Technologiebrüchen, der alternden Gesellschaft oder den globalen Spannungen? Im Wirtschaftspresseclub Stuttgart deutet er, der es versteht, über den eigenen Aktenkoffer hinauszudenken, die Entscheidung des deutschen Impfstoffherstellers Biontech, seine Krebsforschung nach England zu verlagern, als Alarmsignal.
Bekanntlich hat das Mainzer Pharmaunternehmen diesen Schritt insbesondere mit einer ausufernden Bürokratie in Deutschland begründet. Neske nennt darüber hinaus den Datenschutz deutscher Prägung, an dem die Forschung, die auf anonymisierte Daten angewiesen ist, sich ihre Zähne ausbeißt. Standortpolitik sei also mehr als nur eine Frage der Energiepolitik, sagt Neske und ruft glatt zur Demo auf: „Warum nicht für Biontech auf die Straße gehen!“
Respekt nötigt ihm da schon die Bewegung von Schülern und Studenten Fridays for Future ab, die sich für schnelle Klimaschutzmaßnahmen einsetzt. „Fand ich toll“, gesteht der Landesbanker. Erstmals seit der Nachrüstungsdebatte in den 1980ern sei damit eine Generation aufgestanden und habe klargemacht: so nicht! Schließlich sei es auch das Geld der jungen Generation, das heute schon verteilt werde. „Wir wollen jeden mitnehmen, aber es soll keinem wehtun“, klagt Neske mit Blick auf Staatshilfen im Zuge von Pandemie und Energiekrise. Wenn man damit weitermache, setze man den Markt außer Kraft. Stattdessen müsse das Land aus dem Krisenmodus herauskommen, was laut Neske in einer Rückbesinnung auf das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft münden sollte.
Denn dass Deutschland trotz alledem in der Lage ist, auf Krisen zu reagieren, davon ist der Banker überzeugt. Als Beispiel nennt er die Errichtung eines Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven, das 2022 in fünf Monaten aus dem Boden gestampft wurde – mit Hilfe des extra dafür beschlossenen LNG-Beschleunigungsgesetzes. Geht doch, sagt Neske. Ob es aber so weitergeht, wird eine von vielen bevorstehenden Nagelproben bald zeigen – etwa dann, wenn China zum weltgrößten Automobilexporteur avancieren sollte. Wie will sich das Autoland Deutschland darauf einstellen? „Als Zeitzeugen der Zeitenwende werden wir es erleben“, ist Neske sich sicher.