US-Ökonomen

Nobelpreis für Erforschung von Banken und Finanzkrisen

Die drei US-Ökonomen Ben Bernanke, Douglas Diamond und Philip Dybvig bekommen in diesem Jahr den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Nobelpreis für Erforschung von Banken und Finanzkrisen

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Die Erforschung von Banken und Finanzkrisen hat den drei US-Ökonomen Ben Bernanke, Douglas Diamond und Philip Dybvig in diesem Jahr den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften beschert. Die drei hätten mit ihren Arbeiten aus den frühen 1980er Jahren „unser Verständnis der Rolle der Banken in der Wirtschaft, insbesondere während Finanzkrisen, erheblich verbessert“, erklärte die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften. „Die Erkenntnisse der Preisträger haben unsere Fähigkeit verbessert, sowohl schwere Krisen als auch teure Rettungsaktionen zu vermeiden“, sagte Tore Ellingsen, Vorsitzender des Preiskomitees.

Bernanke (68), der vor allem für seine Rolle als US-Notenbankchef von 2006 bis 2014 bekannt ist, erhält die Auszeichnung für seine Forschung zur Großen Depression der 1930er Jahre, der schwersten Wirtschaftskrise der modernen Geschichte. In seiner Arbeit von 1983 habe Bernanke die sogenannten Bank Runs, also das panikartige Abheben von Bargeld, als entscheidenden Faktor identifiziert, warum die Krise so tief und langanhaltend ausgefallen sei. Als die Banken zusammenbrachen, seien wertvolle Informationen über die Kreditnehmer verloren gegangen, und die Wissensschätze hätten nicht so schnell wieder gehoben werden können. Die Fähigkeit der Gesellschaft, Ersparnisse in produktive Investitionen zu lenken, sei dadurch stark beeinträchtigt worden. Bernanke, der 1979 seinen Doktor am MIT gemacht hat, arbeitet derzeit bei der Denkfabrik Brookings Institute.

Diamond (69) und Dybvig (67), die Professuren an der Universität von Chicago beziehungsweise der Washington-Universität in St. Louis im US-Staat Missouri halten, haben sich mit der Funktion von Banken als Vermittlern zwischen Sparern und Kreditnehmern beschäftigt. Damit die Wirtschaft funktionieren könne, müssen die Ersparnisse in Investitionen fließen. Hier gebe es jedoch einen Konflikt: Die Sparer wollten im Falle unerwarteter Ausgaben sofort über ihr Geld verfügen, während Unternehmen und Hausbesitzer sicher sein müssten, dass sie ihre Kredite nicht vorzeitig zurückzahlen müssen. Banken könnten die Einlagen von vielen Sparern annehmen und ihnen ermöglichen, auf ihr Geld zuzugreifen, wann immer sie wollen – und gleichzeitig den Kreditnehmern langfristige Kredite anbieten. Allerdings, so zeige die Analyse von Diamond und Dybvig, mache die Kombination dieser beiden Tätigkeiten die Banken anfällig für Gerüchte über ihren bevorstehenden Zusammenbruch. Wolle eine große Zahl von Sparern gleichzeitig ihr Geld abheben, könne das Gerücht zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden – es komme zu einem Bank Run und das Geldhaus breche zusammen, erläuterte Komiteemitglied John Hassler. Diese gefährliche Dynamik könne dadurch verhindert werden, dass der Staat eine Einlagensicherung bereitstelle und als Kreditgeber letzter Instanz für die Banken auftrete.

Diamond habe zudem in einer Arbeit von 1984 aufgezeigt, dass Banken eine weitere gesellschaftlich wichtige Funktion erfüllten: In ihrer Vermittlerrolle seien sie besser in der Lage, die Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer zu beurteilen und sicherzustellen, dass die Kredite für gute Investitionen verwendet werden.

Favorisiert waren andere

Der 1953 geborene Diamond, der für die Pressekonferenz zugeschaltet war, wurde von dem Anruf aus Stockholm überrascht – er habe tief geschlafen, als plötzlich sein Handy geklingelt habe. Weniger überrascht waren deutsche Ökonomen, die wie in der Mehrzahl der vergangenen Jahre mit in den USA lehrenden Preisträgern gerechnet hatten. Mit ihren Prognosen lagen sie aber teils daneben: Laut dpa hatte ZEW-Präsident Achim Wambach eher mit den US-Professoren Timothy Bresnahan und Michael Porter sowie dem israelisch-amerikanischen Ökonomen Ariel Pakes gerechnet. Ifo-Präsident Clemens Fuest benannte den österreichisch-schweizerischen Ökonomen Ernst Fehr erneut als potenziellen Kandidaten. Für DIW-Präsident Marcel Fratzscher, der auf die beiden US-Ökonomen Maurice Obstfeld und Kenneth Rogoff gesetzt hatte, „unterstreicht der diesjährige Nobelpreis die Politikrelevanz der Wirtschaftswissenschaften“. Alle drei US-Ökonomen hätten „in ihrer Forschung die Bedeutung von Finanzmärkten, Schulden und Psychologie für Banken- und Finanzkrisen herausgearbeitet und betont“ – eine höchst politikrelevante Forschung, betonte Fratzscher. Für Sascha Steffen von der Frankfurt School hingegen zählten die drei Preisträger zu den heimlichen Anwärtern: „Sie alle haben unser Verständnis von der Rolle von Banken und deren Risiken verändert und Wege aufgezeigt, wie sie reguliert werden müssen.“

Der Wirtschaftsnobelpreis geht im Gegensatz zu den klassischen Nobelpreisen nicht auf das Testament des Dynamit-Erfinders Alfred Nobel (1833 bis 1896) zurück. Der mit 10 Mill. skr (rund 980 000 Euro) dotierte Preis wurde von der Riksbank erst 1968 zum Anlass ihrer 300-Jahres-Feier gestiftet. Daher heißt er auch nicht offiziell Nobelpreis, sondern „Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften zum Andenken an Alfred Nobel“. Verliehen wird er aber zusammen mit den traditionellen Nobelpreisen am Todestag Nobels, dem 10. Dezember.

Von den nunmehr 54 Auszeichnungen gingen 25 an Einzelpersonen, 20 an zwei Preisträger, und drei Personen teilten sich nunmehr neunmal den Wirtschaftsnobelpreis. Jüngste aller Laureaten war Esther Duflo. Sie ist nach Elinor Ostrom, die 2009 ausgezeichnet wurde, erst die zweite Frau, die den Preis erhielt – und die erste, die zusammen mit ihrem Ehemann derart ausgezeichnet wurde. Duflo war 46, als sie 2019 zusammen mit Abhijit Banerjee diese Ehrung erfuhr. 2007 war Leonid Hurwicz mit 90 Jahren der Älteste – und auch über alle Kategorien hinweg der Älteste, der überhaupt mit einem Nobelpreis ausgezeichnet worden war. 2021 ging der Wirtschaftsnobelpreis an die beiden US-Ökonomen Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson (siehe Auflistung).

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