Ratschläge, ein wenig Frust und offene Fragen
Über die politische Zukunft von Robert Habeck ist in den vergangenen Tagen in Berlin wieder viel gesprochen und geschrieben worden. Nachdem der Grünen-Spitzenkandidat nach der für ihn enttäuschenden Bundestagswahl zunächst selbst offen gelassen hatte, ob er sein Mandat überhaupt antritt, stand plötzlich ein Rückzug aus dem Parlament im Sommer im Raum. „Alles Spekulationen“, sagt Habeck dazu am Donnerstag bei seinem letzten großen Auftritt als Wirtschaftsminister. Gewillt, seine Pläne offenzulegen, ist er aber vorerst nicht.
Die Vorstellung der neuen Konjunkturprognose vor der Bundespressekonferenz nutzt der 55-Jährige vielmehr zu einer ersten Abschiedsbilanz und einigen Ratschlägen für seinen noch unbekannten Nachfolger im Amt. „Fundamentale Verschiebungen der ökonomischen Grundannahmen“ habe es in der abgelaufenen Legislaturperiode gegeben, sagt er und hält ein letztes Mal ein Schaubild hoch. Die Entwicklung des Potenzialwachstums soll zeigen, dass die Wirtschaftskrise eigentlich schon 2013 begonnen hat.
Kritik aus der Wirtschaft
Habeck muss erneut die Erwartungen senken. Ein Null-Wachstum wird nun für 2025 prognostiziert. Es ist das dritte Jahr ohne Wachstum. Der Verband der Familienunternehmer, der den Grünen-Politiker schon während seiner gesamten Amtszeit mit knallharter Kritik überzogen hatte, bescheinigt dem Minister am Donnerstag noch einmal eine „desaströse Bilanz“. Habeck hinterlasse seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin „eine riesige Baustelle“.
Fragen nach seinen persönlichen Fehlern und seinem Anteil an der Krise beantwortet der Grünen-Politiker nicht. Er verweist aber darauf, dass die designierte neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag viele seiner Vorstellungen wieder aufgegriffen hat. Sondervermögen. Investitionsbooster. Industriestrompreis. „Das klingt alles sehr vertraut“, sagt Habeck etwas süffisant. Seine Ideen würden jetzt offenbar mit einer gewissen Verzögerung unter anderen Farben umgesetzt.
Rhetorik versus Wirklichkeit
Da klingt auch ein wenig Frust mit. Der noch geschäftsführende Wirtschaftsminister und Vizekanzler sagt, die Ampel hätte rückblickend schon im Frühjahr 2022 nach dem russischen Überfall auf die Ukraine milliardenschwere Geldtöpfe bereitstellen und schon damals die Programme einleiten sollen, auf die sich Union und SPD jetzt verständigt hätten – von einem großen Elektroauto-Förderprogramm bis hin zur stärkeren Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Dass die schwarz-rote Koalition sich in ihrem Koalitionsvertrag so schwer tun, eine echte „Wirtschaftswende“ einzuleiten, wundert Habeck nicht. Jetzt treffe Wahlkampfrhetorik auf Wirklichkeit, sagt er.
Das Wirtschaftsministerium wird künftig die CDU besetzen. Nach der Absage von Generalsekretär Carsten Linnemann ist derzeit der baden-württembergische Klimapolitiker Andreas Jung im Gespräch sowie Katherina Reiche, frühere Staatssekretärin im Umwelt- und im Verkehrsministerium, die 2015 in die Wirtschaft gewechselt ist. Reiche arbeitet heute im Eon-Konzern und ist Vorsitzende des Deutschen Wasserstoffrates der Bundesregierung.
Warnung vor neuen Abhängigkeiten
Seinem Nachfolger rät Habeck insbesondere, Wirtschaftspolitik auch als Sicherheitspolitik zu begreifen. Dies bedeutet für ihn, die Handelsbeziehungen noch stärker zu diversifizieren, um Abhängigkeiten zu vermeiden – sei es von China oder auch von den USA. Auch die eigene Produktion kritischer Güter wie Halbleiter müsse weiter voran gebracht werden, ist Habeck überzeugt. Zu den weiteren Prioritäten müsse eine Stärkung des Innovationsstandorts Deutschland sowie des europäischen Binnenmarktes gehören.
Wann er selbst die offene Frage seiner Zukunft klärt, sagt Habeck nicht. Er lässt sich nur soviel entlocken: „Wenn Türen zugehen, gehen immer auch welche auf.“ Nach Bundestag, zweite Reihe, hört sich das eher nicht an.