Senkrechtstarter mit Chancen auf die Fed-Spitze
Senkrechtstarter als Kandidat für Fed-Spitze
det Washington
Zuletzt erschienen New Yorks Notenbankchef muss zwischen Fed und Wall Street vermitteln (8.4.2025) Nach einer glänzenden Karriere bleibt der Skandal haften (2.4.2025)
Amerikas Leitzins-Lenker (6): Austan Goolsbee
Von Peter De Thier, Washington
Spätestens seit der Subprime-Krise am US-Häusermarkt wird Austan Goolsbee (55) nachgesagt, er sei ein „Notenbankchef in Ausbildung“. Der gebürtige Texaner, seit Januar 2023 Präsident der Federal Reserve Bank von Chicago, zählt zu den angesehensten Akademikern in den Reihen der Fed-Gouverneure. Von den meisten seiner Kollegen unterscheidet sich Goolsbee darin, dass er mit seinen Meinungen nicht hinterm Berg hält.
CEA-Chef unter Obama
Deswegen holte der 2019 verstorbene Paul Volcker vor 18 Jahren den jungen Ökonomen an Bord, um ihn während des Konjunktureinbruchs im Nachgang der Immobilienmarktkrise zu beraten. Der ehemalige Fed-Vorsitzende Volcker, der ebenfalls gern Klartext sprach, war damals Direktor des Sondergremiums „Economic Recovery Advisory Board“. Bald danach berief US-Präsident Barack Obama den Senkrechtstarter Goolsbee in den „Council of Economic Advisers“ (CEA). 2010 übernahm der „Youngster“ kurz nach seinem 41. Geburtstag die Leitung des CEA. Goolsbee erwarb seinen Master-Abschluss an der Eliteuni Yale. Danach promovierte er an dem Massachusetts Institute of Technology (MIT). Heute hält der der politisch liberale Ökonom einen Lehrstuhl an der renommierten Booth School of Business der University of Chicago. Dort konzentrierte sich seine Forschung auf Steuerpolitik, die Inflation und die Rolle des Internets in der modernen Wirtschaft. Auch war Goolsbee einer der Co-Architekten des Adobe Digital Price Index, der Inflation in der Digitalwirtschaft akkurat erfassen soll. Darüber hinaus agierte er als Wirtschaftsberater für das Congressional Budget Office (CBO) sowie für diverse Think Tanks.
Anders als viele andere Notenbanker, die sich typischerweise bedeckt halten, hat sich der Volkswirt durch seine auffallende Medienpräsenz profiliert. Häufig trat er bei politischen Talkshows und Unterhaltungssendungen auf. Dort versuchte er, mit einer Prise Humor und nicht seltenem Sarkasmus den Zuschauern aktuelle wirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären.
Starke Medienpräsenz
Die Kombination aus Brillanz als Ökonom und langjähriger Medienerfahrung hat dazu beigetragen, dass Goolsbee als potenzieller Fed-Vorsitzender der Zukunft gehandelt wird. Voraussetzung dafür wäre natürlich, dass wieder ein Präsident ins Amt gewählt wird, der ebenfalls sozialliberale Positionen vertritt. Einstweilen ist der Chef des Fed-Ablegers in Chicago eines von zwölf wahlberechtigten Mitgliedern des Offenmarktausschusses (FOMC).
Auch schrieb er mehrere Jahre lang eine regelmäßige Kolumne für die „New York Times“ und jobbte nebenbei als gelegentlicher TV-Nachrichtenmoderator in seiner Wahlheimat Chicago. Goolsbees hoher Bekanntheitsgrad verhalf ihm zu mehreren Auszeichnungen. Unter anderem bezeichnete das Weltwirtschaftsforum den Ökonomen als einen der „100 Global Leaders for Tomorrow“.
Theorie des „Goldenen Pfads“
Die Financial Times nannte ihn einen der sechs „Gurus der Zukunft“ – nicht zuletzt wegen seiner originellen und manchmal gewagten Ideen. So vertritt der Ökonom seit 2023 die Theorie des „Goldenen Pfades“. Demnach ist eine konsequente Reduktion der Inflation möglich, ohne dass die Rückkehr zur Preisstabilität von einer Rezession begleitet werden muss.
Dort zählt er zu den ausgeprägtesten unter den „Tauben“ und plädiert tendenziell für eine lockere Geldpolitik. Zwar rechnet Goolsbee während der nächsten zwölf bis 18 Monate mit mehreren Zinssenkungen. Gleichwohl räumt er ein, dass angesichts der Unsicherheit über die inflationären Folgen der von US-Präsident Donald Trump verhängten Einfuhrzölle der weitere Kurs der Geldpolitik mit hoher Unsicherheit behaftet ist.
Taube unter FOMC-Mitgliedern
Die bisher erschienen Beiträge der Serie „Amerikas Leitzins-Lenker“ finden Sie hier.