Thyssenkrupp-CFO zieht es an neue Ufer
Thyssen-CFO Schulte strebt zu neuen Ufern
Von Annette Becker, Köln
Nach nur sechs Monaten im Amt als Finanzvorstand von Thyssenkrupp streicht Jens Schulte schon wieder die Segel. Der Grund: Den promovierten Wirtschaftler ereilte ein Angebot von der Deutschen Börse, die einen Nachfolger für ihren scheidenden Finanzchef Gregor Pottmeyer suchte. Dessen Vertrag läuft im September 2025 aus. Eine solche Karrierechance bekomme man nur einmal im Leben, wird souffliert, und Schulte habe nichts anders gekonnt als zuzugreifen. Zufällig kennt er die künftige Aufsichtsratschefin der Börse, Clara-Christina Streit, ebenso wie den designierten CEO Stephan Leithner aus seiner McKinsey-Zeit.
Wie schnell Schulte aus seinem Vertrag bei dem Essener Traditionskonzern herauskommt, steht dahin. Klar ist aber, dass ihm Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm keine Steine in den Weg legt. Zeitnah werde der Aufsichtsrat über die mögliche Beendigung seines Vorstandsvertrags beraten. Russwurm wird es nicht leicht fallen, den 53-Jährigen ziehen zu lassen. Denn Schulte hat sich in kurzer Zeit ganz tief in die Materie eingearbeitet und mit viel Engagement die harte Sanierungsaufgabe in Angriff genommen.
Schwund im Top-Management
Nicht grundlos hatte er mit seinem Dienstantritt am 1. Juni auch die Verantwortung für das Performance-Programm Apex übernommen. Dabei war Schulte schnell zu der Erkenntnis gelangt, dass die angestoßenen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um die mittelfristig angestrebten Zielmargen zu erreichen. Nun wird „nachgeschärft“, wie es so schön im Manager-Sprech heißt.
Es ist jedoch nicht nur die fachliche Expertise, die Thyssenkrupp verloren geht. Denn die Personalie Schulte reiht sich nahtlos in den Schwund im Führungskräftetableau ein. Wenngleich manche Personalie der vergangenen Monate bewusst herbeigeführt wurde – beispielsweise der Abgang von drei Vorständen aus der Stahlsparte –, Schultes Abgang gehört dazu zweifelsohne nicht. Erst Anfang der Woche hatte mit Cetin Nazikkol eine langjährige Führungskraft dem Traditionskonzern den Rücken gekehrt. Allerdings hatte sich Konzernchef Miguel López kürzlich auch in einem Interview gebrüstet, dass inzwischen 40% der 150 Top-Manager ausgewechselt wurde.
Von drei auf fünf Köpfe
Inwieweit Oliver Burkhard sein Vorstandsmandat per Ende Januar 2025 freiwillig niederlegt, um sich ausschließlich der Aufgabe als CEO der Marinesparte zu widmen, sei dahingestellt. Fakt ist: Russwurm muss zwei vakante Positionen im Konzernvorstand nachbesetzen. Das Gremium war erst Anfang 2024 von drei auf fünf Köpfe erweitert worden, gegen den Widerstand der Arbeitnehmervertreter. Burkhards Aufgabe als Personalvorstand und Arbeitsdirektor sollte Schulte von Februar an interimistisch übernehmen. Das soll vorerst auch so bleiben. Schulte werde seine Aufgaben als Finanzvorstand bis zu seinem Ausscheiden ebenso wahrnehmen wie die interimistische Position als Personalvorstand, heißt es ausdrücklich.