Wie Tavares Stellantis zu einer Erfolgsgeschichte gemacht hat
Wie Tavares Stellantis zu einer Erfolgsgeschichte gemacht hat
Von Gesche Wüpper, Paris
Er sei ein großer Industrieller, ein außergewöhnlicher Firmenchef, ein von der Arbeit besessener Samurai, loben Politiker und Wirtschaftsgrößen in Frankreich. Immerhin hat Carlos Tavares nicht nur den angeschlagenen Autobauer PSA wieder zurück auf die Gewinnspur gebracht, sondern auch dessen Fusion mit Fiat Chrysler (FCA) zu Stellantis zu einer Erfolgsgeschichte gemacht.
Drei Jahre nach ihrer Geburt hat die Gruppe von der Börsenkapitalisierung her schon etliche Konkurrenten überholt. Letztes Jahr hat sie zudem den größten Kursgewinn innerhalb des CAC 40 verbucht. Dabei war sie an der Börse noch Anfang 2023 schlechter bewertet als ihre weniger rentablen US-Wettbewerber General Motors und Ford.
Dass Stellantis sie inzwischen überflügelt und bei amerikanischen Anlegern an Bekanntheit gewonnen hat, ist auch Tavares zu verdanken. Denn der asketisch wirkende Manager hat seine Zurückhaltung aufgegeben, um verstärkt Analysten und Investoren zu treffen. Er hat erst Ed Ditmire von Nasdaq als Chef der Investor Relations, dann die Amerikanerin Nathalie Knight von Ahold Delhaize als Finanzchefin geholt. Tavares hat jetzt mit Carlos Zarlenga auch einen neuen Chief Operating Officer für Nordamerika.
In Europa sei bekannt, dass Tavares erst PSA, dann Opel saniert habe, sagen Branchenexperten. In den USA dagegen nicht. Als der 65-Jährige Portugiese 2014 das Lenkrad bei PSA übernahm, befand sich der französische Autobauer am Rande der Pleite. Nach dem Einstieg des französischen Staates und von Dongfeng aus China hat Tavares den Konzern dank konsequenter Einsparungen, strenger Kostenkontrolle und einer Reduzierung der Modellpalette wieder rentabel gemacht.
Sie hätten nicht gedacht, dass es ihm so schnell gelingen würde, die Finanzen des Unternehmens wieder in Ordnung zu bringen, sagt Stellantis-Verwaltungsratsmitglied Robert Peugeot. Allerdings hat sich Tavares mit seinem Kurs nicht überall Freunde gemacht. Intern werde seine Vorgehensweise von einigen Mitarbeitern in Anspielung auf die Filme mit Bruce Willis auch als „Die Hard-Methode“ bezeichnet, berichtet „Le Monde“.
Vor allem aus Italien sind seit der Fusion von PSA und FCA immer wieder Klagen zu hören, Tavares benachteilige dortige Standorte. Die Sparmentalität der italienischen Regierung bei Kaufanreizen für Elektrofahrzeuge habe zu mehrmonatiger verringerter Produktion geführt, hält der Stellantis-Chef dagegen. Er ist einer der wenigen Manager, der kein Blatt vor den Mund nimmt und Regierungen auch mal offen kritisiert, nicht nur Italien. Rom gebe viel weniger als andere europäische Länder zur Unterstützung von E-Fahrzeugen aus, bemängelt er jetzt. Für die Elektrifizierungsstrategie von Stellantis hat der in Lissabon als Sohn eines Wirtschaftsprüfers und einer Französischlehrerin geborene Manager zwei verschiedene Szenarien vorbereitet. Denn er fürchtet, dass das Erstarken der Populisten bei den Europa-Wahlen und den Präsidentschaftswahlen in den USA die Verbreitung von E-Fahrzeugen bremsen könnte. Sollte alles so bleiben wie bisher, will er bei E-Autos weiter Gas geben.
Das tut der Absolvent der Pariser École Centrale auch mindestens einmal pro Monat bei Auto-Rallys und Rennen, wo er in der F3-Classic-Kategorie an den Start geht. Neben mehreren Weingütern und einer auf Oldtimer spezialisierten Werkstatt in Portugal besitzt er sogar seinen eigenen kleinen Rennstall, den er in Anlehnung an seine Tochter Clémentine Antunes Clementeam Racing genannt hat. Sie ist die einzige seiner drei Töchter, die ebenfalls in der Automobilindustrie tätig ist, als Marketing- und Kommunikationschefin von Hyundai in Frankreich.