Arabische Golfstaaten rücken ESG in den Fokus
Arabische Golfstaaten rücken ESG in den Fokus
Regierungen passen Rechtsordnungen an und unterstützen nachhaltige Investitionen − Thema auch in M&A-Transaktionen
Von Constantin Frank-Fahle
und Marcel Trost *)
Die Länder des Golf-Kooperationsrates (Gulf Cooperation Council – GCC/GCC-Staaten), zu denen neben Saudi-Arabien die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Katar, Bahrain, Oman und Kuwait gehören, gelten aufgrund ihrer Rohstoffreserven zwar als wohlhabend, sind aber zugleich besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels. Die Region hat sich in den vergangenen vierzig Jahren doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt. Einige GCC-Länder zählen zu den wasserärmsten Ländern der Welt. Zur Bekämpfung der Wasserknappheit setzen die GCC-Länder zunehmend Maßnahmen zur Einsparung und alternativen Gewinnung von Wasser ein.
Anders als in den USA und in Europa ist das Thema ESG (Environmental – Social – Governance) in den GCC-Ländern erst kürzlich in den Fokus gerückt. Mittlerweile haben Regierungen bzw. einzelne Regulatoren damit begonnen, Rahmenbedingungen für nachhaltige Investitionen auszuarbeiten und ESG-Aspekte in ihren Rechtsordnungen zu implementieren.
Investoren machen Druck
Gesetzliche Vorgaben existieren noch nicht in gleichem Maß wie in der EU. Indes sehen sich Unternehmen wachsendem Druck von Investoren und anderen Interessengruppen ausgesetzt, sich mit den ökologischen und sozialen Folgen ihrer Geschäftstätigkeit und Governance-Richtlinien zu befassen. Trendsetter sind insofern auch international tätige Unternehmen, die andernorts bereits strikten ESG-Vorgaben unterliegen. Zudem haben die GCC-Staaten sich zu Nachhaltigkeitszielen verpflichtet. Saudi-Arabien, Bahrain und Kuwait haben sich bis 2060 und die VAE und Oman bis 2050 zu einem Netto-Nullverbrauch (Net Zero) verpflichtet.
Zudem sehen Saudi-Arabiens Vision 2030, Omans Vision 2040, Katars National Vision 2030, die Vision 2021 der VAE und die Energiestrategie 2050, Bahrains Economic Vision 2030 und die Kuwait Vision 2035 eine Reduzierung der Abhängigkeit von Rohstoffeinnahmen, wirtschaftliche Diversifizierung und soziale Reformen vor. Auch Governance-Aspekte werden zunehmend relevant.
Neuer Energiemix
Der Schutz der Umwelt spielt u.a. in Gestalt von Umweltgesetzgebung und des Ausbaus erneuerbarer Energien eine Rolle. Saudi-Arabien möchte bis 2030 rund 50% seines Energiemixes aus erneuerbaren Energien gewinnen. Der saudische Public Investment Fund (PIF) plant, 70% der landesweiten Kapazität für erneuerbare Energien zu entwickeln. Die Sonderwirtschaftszone NEOM soll vollständig auf erneuerbaren Energien basierende Energiegewinnungssysteme implementieren. Oman soll bis 2030 rund 30% seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien gewinnen und hat Anfang 2025 seinen bislang größten Solarpark eröffnet.
Die VAE betreiben neben großen Solarparks u.a. aufgrund von Dekarbonisierungsbemühungen im Emirat Abu Dhabi das Kernkraftwerk Barakah Nuclear Energy Plant. Katar plant um 25% verringerte Treibhausgasemissionen bis 2030. Das Solarkraftwerk Al Kharsaah kann etwa 10% des Spitzenstrombedarfs Katars decken. Kuwait möchte bis 2030 rund 15% der Elektrizität aus erneuerbaren Energien gewinnen.
Governance gewinnt an Gewicht
Zudem wurden neben Schienennetzen für den Güter- und Personentransport, die alle GCC-Staaten verbinden sollen (Gulf Railway – GCC Railway), U-Bahn-Netzwerke in Dubai, Doha und Riad gebaut. Im Fokus stehen auch Lösungen für die Kreislaufwirtschaft. Saudi-Arabien und die VAE setzen zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele große Baumpflanzungsprojekte um. Nach Ausrichtung der COP28-Konferenz 2023 haben die VAE mit Wirkung zu Ende Mai 2025 ein Gesetz zum Klimaschutz und zur Emissionssteuerung erlassen und 2024 das National Register for Carbon Credits (NRCC) eingerichtet.
Auch die ESG-Säulen Soziales und Governance spielen in den GCC-Staaten eine Rolle, bspw. in Gestalt von Korruptions- und Geldwäschegesetzgebung und Arbeitsrechtsgesetzen mit Gesundheits- und Arbeitsschutzregeln. Nationalisierungsinitiativen zur zwingenden Beschäftigung von Einheimischen in Unternehmen des Privatsektors werden ausgeweitet (etwa in Saudi-Arabien, VAE, Katar, Oman). Teils werden Unternehmen zum Schutz vor Diskriminierung, zu Förderung und Schutz von Frauen und zum Datenschutz (etwa VAE, Katar und Saudi-Arabien) verpflichtet.
Nachhaltigkeitsberichte gefordert
Whistleblowing-Regelungen gelten z.B. in den VAE-Finanzfreihandelszonen Dubai International Financial Centre (DIFC) und Abu Dhabi Global Market (ADGM). Die dritte ESG-Säule Unternehmensführung findet u.a. Ausdruck in Corporate Governance Regulations der saudischen Capital Market Authority und der Qatar Financial Markets Authority (QFMA) sowie dem Corporate Governance Code Bahrains.
Relevanz gewinnt auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mehrere Börsen (etwa Saudi Exchange, Abu Dhabi Securities Exchange, Dubai Financial Market, Qatar Stock Exchange, Boursa Kuwait) haben sich der von den Vereinten Nationen geleiteten Sustainable Stock Exchanges Initiative angeschlossen. Die Finanzfreihandelszone ADGM hat in 2023 mit dem Environment, Social and Governance (ESG) Disclosures Framework Regulierung für nachhaltige Finanzen eingeführt.
Bereits seit 2020 verpflichtet die Securities and Commodities Authority (SCA) der VAE am Dubai Financial Market und Abu Dhabi Securities Exchange gelistete Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die saudische Börse hat für börsennotierte Unternehmen freiwillige ESG Disclosure Guidelines herausgegeben, und in 2024 hat das saudische Ministry of Finance das Green Financing Framework erlassen. Nach ESG Voluntary Reporting Guidelines für börsennotierte Unternehmen der Bahrain Bourse aus 2020 hat die Central Bank of Bahrain Environmental, Social and Governance (ESG) Reporting Guidelines in 2023 veröffentlicht. Qatar Stock Exchange hat einen freiwilligen Guidance on ESG Reporting publik gemacht. ESG Disclosure Guidelines des Muscat Stock Exchange (MSX) aus 2023 verpflichten börsennotierte Unternehmen zur ESG-Berichterstattung ab 2025.
Nach einem freiwilligen Environment, Social and Governance (ESG) Reporting Guide for Listed Companies der Boursa Kuwait in 2023, werden am kuwaitischen Premier Market notierte Unternehmen durch die Capital Markets Authority zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ab 2026 verpflichtet. Ein breiterer regionaler Ansatz wird mit den freiwilligen GCC ESG Disclosure Metrics for Listed Companies des GCC Exchanges Committee aus 2023 verfolgt.
Neue Geschäftsmodelle
ESG-Erwägungen haben Unternehmen zuletzt weltweit dazu veranlasst, ihre Geschäftsmodelle an die neuen Standards anzupassen und diese teils sogar umzustrukturieren durch Fusionen und Übernahmen. ESG-Aspekte erlangen im M&A-Kontext zudem bei Due-Diligence-Prüfungen sowie in Vertragswerken Relevanz. Getätigte Äußerungen zu ESG-Aktivitäten wird ein potenzieller Käufer vor einer M&A-Transaktion prüfen wollen, etwa um eine Risikoanalyse vorzunehmen oder Unternehmenskulturen auf Kompatibilität zu prüfen. Bei Finanzierung einer M&A-Transaktion verlangen Geldgeber etwaig eine Offenlegung.
Lokale ESG-Regelwerke können eine Untersuchung des Zielunternehmens auf ESG-Compliance erforderlich machen. Eine Prüfung umfasst regelmäßig eine Bandbreite an Faktoren zu den drei ESG-Säulen, wobei die exakten Prüffelder je nach Jurisdiktion und Zielunternehmen variieren. ESG Due Diligence erlangt am ehesten dann Bedeutung, wenn strenge ESG-Regularien in einer Jurisdiktion gelten oder es sich um eine große oder ESG-sensible Transaktion handelt.
Weltweit begegnen ESG-Due-Diligence-Prüfungen Herausforderungen, die mannigfaltiger sind, wenn in einer Jurisdiktion noch keine oder wenige ESG-Vorgaben existieren. Auch sind aussagekräftige ESG-Daten oft nicht verfügbar und Erkenntnisse nur schwer quantifizierbar. Trotz technischer Lösungen zur Datensammlung und -aufbereitung kann die Festlegung des Prüfungsumfangs und die Bemessung des Einflusses von ESG-Faktoren auf den Unternehmenswert problematisch sein.
Kleinere Firmen hinken hinterher
Dies betrifft auch Unternehmen in den GCC-Staaten. Während insbesondere international tätige Unternehmen ESG-Aspekte bereits oft in den Unternehmensalltag integriert haben und als Absicherung gegen künftige Risiken sehen, ist das ESG-Engagement kleinerer Unternehmen hier noch geringer ausgeprägt. Andererseits erwarten Investoren zunehmend verfügbare ESG-Informationen. Auch ein gestiegenes ESG-Bewusstsein von Mitarbeitern, Verbrauchern und Lieferanten hat in den GCC-Staaten dazu beigetragen, dass Unternehmen sich mit ESG-Aspekten heute näher als zuvor befassen.
* ) Dr. Constantin Frank-Fahle und Marcel Trost sind Rechtsanwälte und Gründungspartner der Kanzlei emltc (Emerging Markets – Legal. Tax. Compliance.), Abu Dhabi/Dubai, Vereinigte Arabische Emirate.