Bankenkäufe – die aufsichtsrechtliche Perspektive
Bankenkäufe − die aufsichtsrechtliche Perspektive
Griff von Unicredit nach Commerzbank beschäftigt BaFin, EZB und Bundesbank im Inhaberkontrollverfahren
Von Mathias Hanten *)
Der Erwerb von Commerzbank-Aktien durch die italienische Unicredit hat die Bundesregierung, gelinde gesagt, überrascht. Die Situation gibt Anlass, die Struktur und den Ablauf des bankaufsichtsrechtlich erforderlichen Inhaberkontrollverfahrens beim Erwerb von wesentlichen Beteiligungen an Kreditinstituten zu betrachten und zu bewerten.
„Mafia-Paragraph“
Das Verfahren wurde in Europa bereits 1989 durch die 2. Bankrechts-Koordinierungsrichtlinie etabliert und hat seine nationale Umsetzung in Deutschland mit leichter Verspätung, 1992 im Rahmen der 4. KWG-Novelle, durch den damaligen § 2b Kreditwesengesetz (KWG) gefunden. Die Vorschrift wurde seinerzeit gerne als „Mafia-Paragraph“ bezeichnet. Diese Polemik war nicht zufällig aufgekommen; im Umfeld der ehemaligen Sowjetunion wurden umfangreiche Finanzmittel aus ungeklärten Quellen nach Europa transferiert. Deren Inhaber versuchten teilweise, europäische Kreditinstitute zu übernehmen.
Mittlerweile ist die Vorschrift im KWG ein kleines Stück weiter nach hinten gerückt, hat ihre neue Heimat in § 2c KWG gefunden und wurde gesetzgeberisch durch die Inhaberkontrollverordnung, die die Details des Verfahrens regelt, zuletzt zu Weihnachten 2022, überarbeitet. Verordnungsgeber war zunächst das Bundesministerium der Finanzen („BMF“). Seit dem Jahr 2022 kommt diese Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) zu.
Als Anzeigeverfahren strukturiert
Gelegentlich liest man, dass ein geplanter Erwerb einer bedeutenden Beteiligung an einem Kreditinstitut „unter dem Vorbehalt einer Erlaubnis durch die Erlaubnisbehörden“ stehe. Dazu kurz und klarstellend: Das Verfahren ist gesetzlich nicht als „Erlaubnisverfahren“, sondern als Anzeigeverfahren strukturiert. Materiell lässt sich aber sagen, dass die Verfahrensart in unmittelbarer Nähe zum Erlaubnisverfahren steht, da die Aufsichtsbehörde ermächtigt ist, einen bereits vollzogenen Erwerb zu untersagen und die Rückabwicklung anzuordnen.
Vielleicht wäre es ehrlicher und inhaltlich naheliegender, das Inhaberkontrollverfahren, das – materiell – eine Erlaubnis im Gewande der Nichtuntersagung ist, gesetzlich auch als Erlaubnisverfahren auszugestalten. Die damalige europäische Entscheidung, den Weg über eine Anzeige zu gehen, kann damit erklärt werden, dass das ab dem Jahr1992 vorgesehene Verfahren kaum materiell-wirtschaftliche Anforderungen kannte und sich fast ausschließlich auf den Hintergrund der Erwerbinteressierten und die Herkunft der Mittel konzentrierte. Dies hat sich inzwischen geändert; die nunmehr substanziellen inhaltlichen Anforderungen an die Anzeige wurden gesetzgeberisch über viele Jahre in das Verfahren eingespeist.
Erwerbsabsicht anzeigepflichtig
Anzeigepflichtig nach § 2c KWG ist jede Erwerbsabsicht, also ein Sachverhalt, der über das bloße „In-Betracht-Ziehen eines Erwerbs“ hinausgehen muss. Nicht ausdrücklich geregelt ist, wann das bloße „In-Betracht-Ziehen“ zu einer Erwerbsabsicht erstarkt. Der Erwerb von Kaufoptionen begründet jedenfalls nach herrschender Ansicht eine „Erwerbsabsicht“.
Die deutsche Beratungspraxis hat die Tendenz, den Absichtszeitpunkt recht früh, also etwa deutlich vor Aufnahme einer Due Diligence zu setzen, um die Frist, bis zu deren Ablauf die behördliche Beurteilung erfolgen muss, in Gang zu setzen und damit die Gesamtbearbeitungsfrist zu verkürzen. Denn der Behörde steht nach Eingang der vollständigen Anzeige eine Beurteilungsfrist von 60 Arbeitstagen zur Verfügung.
Erfreuliche Konkretisierung
Der „Normalfall“ der Unvollständigkeit der Anzeige hat mit der letzten Gesetzesänderung eine erfreuliche Konkretisierung erfahren: Bis spätestens zum Ablauf des 50. Arbeitstages nach Anzeige muss die Behörde weitere Informationen, die zum Abschluss der Beurteilung erforderlich sind, anfordern. Bis zum Eingang der angeforderten Informationen ruht die Beurteilungsfrist. Insgesamt darf das Verfahren, einschließlich dieser Ruhezeit, 80 Arbeitstage nicht überschreiten.
In besonderen Einzelfällen kann der Gesamtbeurteilungszeitraum auf 90 Arbeitstage ausgedehnt werden. Da die Behörde fast unbeschränkt weitere Informationen anfordern kann, ist sie weitgehend Herrin des Verfahrens.
Hürden für Anschleichen
Anzeigepflichtig ist die Absicht zum Erwerb einer bedeutenden Beteiligung, unabhängig davon, ob dieser direkt oder indirekt erfolgen soll. Ein „unerkanntes Anschleichen“ kommt deshalb nur schwer in Betracht und würde gegen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben verstoßen. Eine bedeutende Beteiligung wird gesetzlich ab 10% der Anteile begründet. Folgeanzeigen werden mit dem Überschreiten der Schwellen von 20%, 30% oder 50% erforderlich oder für den Fall, dass durch den Erwerb eine Beherrschung des Unternehmens einträte.
Die für eine vollständige Anzeige erforderlichen Dokumente sind äußerst umfangreich und sollen den Aufsichtsbehörden umfassende Informationen über die Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Solidität des Erwerbsinteressenten und eine Beurteilung der Fortführung des Geschäfts ermöglichen. Hinsichtlich des Verfahrensaufwandes steht das Inhaberkontrollverfahren dem Erlaubnisverfahren mittlerweile nicht mehr nach.
BaFin in der Pflicht
Interessant ist die für das Verfahren vorgesehene Behördenkompetenz. Auch wenn bei sogenannten bedeutenden Instituten, wie etwa der Commerzbank AG, die Erstzuständigkeit für die laufende Aufsicht bei der EZB liegt, werden Anzeigen der Absicht des Erwerbs einer bedeutenden Beteiligung an die in dem Staat zuständigen Behörden gerichtet, in dem das Kreditinstitut niedergelassen ist, für Institute mit Sitz in Deutschland also an die BaFin.
Die BaFin prüft den geplanten Erwerb gemeinsam mit der Bundesbank. Ob im Rahmen des Verfahrens eine Weisungsbefugnis des BMF im Rahmen der Fachaufsicht gegenüber der BaFin ausgeübt wird, richtet sich nach § 2 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG). Gemäß einer Verwaltungsvereinbarung aus dem Jahre 2022 („Grundsätze über die Zusammenarbeit zwischen BMF und BaFin“) erfolgt „grundsätzlich“ keine Ex-ante-Überprüfung von Maßnahmen der Aufsicht.
In politischem Interesse
In politisch wichtigen Verfahren, hierzu dürfte etwa das Commerzbank-Verfahren zählen, käme eine Durchbrechung dieses Grundsatzes zumindest in Betracht. Die BaFin leitet die Anzeige gemeinsam mit einem Vorschlag für einen Beschluss an die EZB weiter, die dann „auf Grundlage der Beurteilungskriterien des Unionsrechts“ beschließt, ob der Erwerb abzulehnen ist. Sie informiert die Erwerbsinteressenten dann über den Beschluss.
Gegen eine ablehnende Entscheidung steht den Erwerbsinteressenten das Rechtsmittel zum Administrativen Überprüfungsausschuss bei der Europäischen Zentralbank („ABoR“) und zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), Letzteres in Gestalt der Nichtigkeitsklage, offen.
Interessant ist, dass die gesetzliche Einlagensicherungseinrichtung im Inhaberkontrollverfahren, im Gegensatz zur Situation im Erlaubnisverfahren, nicht einbezogen – in gesetzlicher Terminologie „gehört“ – zu werden braucht. Diese fehlende Anforderung relativiert sich bei einer Erwerbsabsicht von bedeutenden Beteiligungen an Instituten, die am privatrechtlich organisierten Einlagensicherungsfonds („ESF“) des Bundesverbandes deutscher Banken mitwirken. In diesen Fällen wird durch das Statut des ESF, also einer zivilrechtlichen Regelungsmaterie, angeordnet, dass der ESF über die Absicht des Erwerbs in ähnlicher Weise wie die Aufsichtsbehörden zu unterrichten ist.
Hohe Intensität
Es lässt sich sagen, dass die Intensität der Prüfung des ESF, vollzogen durch den Prüfungsverband des Bundesverbandes deutscher Banken, der aufsichtsbehördlichen Prüfungsintensität in nichts nachsteht, sich aber eher der wirtschaftlichen als der aufsichtsrechtlichen Auswirkung eines Erwerbes widmet. Wenn nach Erwerb die Weiterführung der Mitwirkung am Einlagensicherungsfonds beabsichtigt ist, muss die Prüfung durch den erwähnten Prüfungsverband zusätzlich in die Zeit- und Aufwandsplanung einbezogen werden.
Materiell hat die EZB ein großes Verwaltungsermessen, da der relevante Untersagungstatbestand mit den Begriffen „notwendige finanzielle Solidität“ unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet. Allerdings dürfen die Behörden bei ihrer Entscheidung – dies ergibt sich aus § 2c Abs. 1b Satz 4 KWG – nicht auf die „wirtschaftlichen Bedürfnisse des Marktes“ abstellen. Deshalb dürfte etwa die Frage, ob es politisch gewünscht ist, die Commerzbank AG in eine Beherrschung durch die Unicredit zu entlassen, nicht zum Gegenstand der Inhaberkontrolle gemacht werden.
*) Dr. Mathias Hanten ist Partner der Deloitte Legal Rechtsanwaltsgesellschaft.