Christopher Kranz

„Beim StaRUG kommt es nicht automatisch zu Punktabzügen“

Fußballfans dürften wieder ins Stadion, aber vielen Clubs machen die finanziellen Folgen der Pandemie noch zu schaffen. Der Restrukturierungsexperte Christopher Kranz von Simmons & Simmons zu den Optionen für angeschlagene Vereine.

„Beim StaRUG kommt es nicht automatisch zu Punktabzügen“

Helmut Kipp

Herr Kranz, die Pandemie hat den Fußballclubs stark zugesetzt. Wie steht es wirtschaftlich um den deutschen Profifußball?

Da gibt es aktuell sowohl Licht als auch Schatten. Einige Vereine stehen trotz hoher coronabedingter Einnahmeausfälle ganz ordentlich da. Andere sind jedoch angeschlagen. Insbesondere wenn zu den Einnahmeausfällen sportlicher Misserfolg hinzukommt, kann es brenzlig werden. Der Profifußball ist durch eine starke Wechselwirkung von sportlichem und wirtschaftlichem Erfolg geprägt. Die Finanzplanung der Vereine kann oftmals nur kurzfristig aufgestellt werden und unterliegt erheblichen Schwankungen. Anlass zur Sorge bereitet insbesondere die Tatsache, dass bei circa zwei Drittel der Clubs in der ersten und zweiten Bundesliga das operative Ergebnis nach Steuern bereits in der Spielzeit 2019/2020 negativ war. Vermutlich werden diese Verluste für die Spielzeit 2020/2021, die komplett ohne Zuschauer stattgefunden hat, noch höher ausfallen.

Stehen viele Clubs vor der Pleite?

Die umgangssprachliche „Pleite“ liegt aus rechtlicher Sicht mit der materiellen Insolvenz vor, also dem Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Mit Hilfe von Eigen- beziehungsweise Fremdkapitalmaßnahmen haben die Clubs das Eintreten dieser Tatbestände bisher verhindern können. Vereinzelt sogar mit Anleiheplatzierungen am Kapitalmarkt, die durch „Family & Friends“-Investoren gezeichnet wurden, aber auch mit staatlich gewährten Hilfsmaßnahmen. Allerdings wiesen circa 20% der Clubs in der ersten und zweiten Liga bereits nach der Spielzeit 2019/2020 ein negatives Eigenkapital auf. Die Aufnahme von Fremdkapital dürfte diese Entwicklung noch verschärft haben. Das heißt aber nicht, dass die betroffenen Vereine insolvenzrechtlich überschuldet sind. Kann in den nächsten zwölf Monaten ohne Weiteres mit der Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit gerechnet werden, besteht in der Regel eine positive Fortbestehensprognose. Diese hängt auch von der sportlichen Performance ab. Ein schlechter Saisonverlauf kann die Prognose ins Negative drehen.

Wann muss ein Club den Spielbetrieb einstellen?

Eine Spieleinstellung kommt nur in Betracht, wenn eine Fortführung nicht mehr möglich ist. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens lässt eine Sanierung zu und führt nicht zum Entfallen der Spiellizenz für die laufende Saison, sondern zum Abzug von Punkten. Eine Fortführung des Spielbetriebs scheidet jedoch aus, wenn die Gläubigerversammlung die Einstellung des Spielbetriebs beschließt.

Wer haftet bei einem Kollaps, und wie steht es um die Überwachungs- und Kontrollpflichten?

Sobald die Insolvenzreife eintritt, rücken Haftungsrisiken der Leitungsorgane wegen verspäteter Insolvenzantragsstellung sowie Zahlungen nach Insolvenzreife in den Fokus. Die Organe unterliegen einer laufenden Überwachungs- und Risikokontrollpflicht. Sie müssen Alarm schlagen, wenn sie bestandsgefährdende Entwicklungen erkennen, und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Um solche Risiken frühzeitig identifizieren zu können, empfiehlt sich das Aufsetzen einer laufenden Ertrags- und Finanzplanung für einen Zeitraum von 24 Monaten. Wichtig ist es, ausreichend zu dokumentieren, um sich gegen Haftungsvorwürfe abzusichern.

Welche Restrukturierungsoptionen gibt es für Fußballclubs?

Zunächst empfiehlt es sich, frühzeitig das Gespräch mit den Gläubigern aufzunehmen. Seit Januar diesen Jahres können solche Verhandlungen durch das neue StaRUG-Verfahren, das Gesetz für vorinsolvenzliche Sanierung, flankiert werden. Damit kann ein mit 75% Mehrheit getragener Restrukturierungsplan auch mit Blick auf Abweichler vereinbart werden. Das StaRUG kann außerhalb der Öffentlichkeit durchgeführt und auf einen Ausschnitt der Gläubiger oder Gesellschafter beschränkt werden. Einstiegsvoraussetzung ist die drohende Zahlungsunfähigkeit, die einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten umfassen kann. Das StaRUG hat zudem zwei wesentliche Vorteile. Es kann zügig binnen vier bis sechs Monaten durchgeführt werden, und es kommt, anders als im Insolvenzverfahren, nicht automatisch zu Punktabzügen.

Dr. Christopher Kranz ist Partner von Simmons & Simmons in der Frankfurter Financial-Markets-Praxis und Leiter des Bereichs Restrukturierung und Insolvenz in Deutschland.

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