Cum-Cum-Urteil hat weitreichende Folgen für Finanzbranche
Cum-Cum-Urteil hat weitreichende
Folgen für Finanzbranche
OLG Frankfurt hält bestimmte Wertpapierleihgeschäfte für strafbar – Potenzielle Zeitenwende
Von Heiko Gemmel und Olaf Schneider *)
Von Heiko Gemmel und Olaf Schneider *)
Die strafrechtliche Aufarbeitung von Wertpapierleihgeschäften hat mit einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt a.M. einen neuen Meilenstein erreicht. Ausgangspunkt war ein Beschluss des Landgerichts (LG) Wiesbaden, in dem es die Eröffnung eines Hauptverfahrens im Falle steuerlich indizierter Wertpapierleihgeschäfte ablehnte. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft entschied das OLG, dass ein hinreichender Tatverdacht für Steuerhinterziehung bestehe. Eine andere Kammer des LG Wiesbaden ließ die Anklage nun zu.
Erstmals sieht damit ein Gericht eine strafrechtliche Relevanz bestimmter Wertpapierleihgeschäfte. Diese Entwicklung könnte erhebliche Folgen für die Finanzbranche, beteiligte Unternehmen und deren Verantwortliche haben.
Im konkreten Fall hat ein deutsches Kreditinstitut im Rahmen eines Wertpapierleihgeschäfts festverzinsliche Wertpapiere für einen bestimmten Zeitraum übertragen und als Sicherheit Aktien verschiedener deutscher börsennotierter Gesellschaften erhalten. Die Lieferung der Aktien erfolgte jeweils kurz vor dem Tag der Hauptversammlung. Die auf den jeweiligen Hauptversammlungen beschlossenen Dividenden sollten dann an das deutsche Kreditinstitut ausgeschüttet werden.
Bis zu 20 Jahre zurück
Bisher war die strafrechtliche Beurteilung solcher strukturierter Wertpapierleihgeschäfte ungeklärt. Nun hat das OLG entschieden, dass ein hinreichender Tatverdacht für eine Steuerhinterziehung aufgrund der durchgeführten Wertpapierleihgeschäften bestehe. Damit könnte es künftig für die Staatsanwaltschaften deutlich leichter werden, Ermittlungsverfahren gegen Beteiligte ähnlicher Strukturen zu führen.
Besonders bemerkenswert ist, dass die betroffenen Geschäfte bis zu 20 Jahre zurückliegen. Denn die Anklage betrifft Wertpapierleihgeschäfte aus den Veranlagungszeiträumen 2004 bis 2006.
Anders als zum Teil dargestellt, lässt der Beschluss des OLG unseres Erachtens noch keine Rückschlüsse darauf zu, dass sog. Cum-Cum Geschäfte nun generell strafrechtlich relevant seien.
Offenlegungspflichten
Unabhängig von der Frage der zu Grunde liegenden Transaktionen enthält der Beschluss des OLG sehr praxisrelevante Ausführungen hinsichtlich der Offenlegungspflichten bei der Abgabe von Steuererklärungen. Nach Auffassung des Gerichts hätten im Streitfall alle für die steuerliche Beurteilung relevanten Informationen bei Abgabe der Steuererklärung offengelegt werden müssen. Denn nur so werde es der Finanzverwaltung ermöglicht, eigenständig zu beurteilen, ob das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien tatsächlich auf den Entleiher übergegangen ist.
Die Offenlegungspflicht umfasse nicht nur eine detaillierte Darstellung der Transaktionsstruktur, sondern auch alle damit verbundenen vertraglichen Vereinbarungen sowie die wirtschaftlichen und tatsächlichen Hintergründe. Werde eine Steuererklärung ohne Offenlegung dieser Informationen abgegeben, sei der Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt.
Gerade bei steuerlich indizierten Gestaltungen und hier insbesondere bei der Frage des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums schafft das OLG weitaus strengere Maßstäbe an die steuerliche Offenlegungsverpflichtung als von vielen bisher angenommen.
Rechtslage war bereits früher klar
Schließlich ist der Beschluss auch insoweit sehr relevant, als dass das OLG davon ausgeht, dass zum Tatzeitpunkt kein anderer Rechtsmaßstab zur Beantwortung der Frage des wirtschaftlichen Eigentums gegolten habe. Schon seit 1992 gäbe es einschlägige Rechtsprechung des BFH, dass das Gesamtbild der Verhältnisse für die Rechtsanwendung relevant sei. Damit hätten auch schon in den Jahren 2004 bis 2006 die gleichen Maßstäbe bei der Prüfung des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums gegolten wie heute.
Diese Ausführungen sind vor allem deshalb bemerkenswert, weil sich das OLG hiermit gegen die verbreitete Ansicht richtet, dass sich die steuerrechtliche Bewertung zum Übergang von wirtschaftlichem Eigentum im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften erst durch die geänderte Rechtsprechung des BFH im Jahre 2015 und die nachfolgenden BMF-Schreiben geändert hatte. Dieser Aspekt ist auch bei den Cum-Cum-Geschäften relevant, denen häufig auch Wertpapierleihgeschäfte zu Grunde lagen.
Risiken steigen
Der Beschluss des OLG stellt eine potenzielle Zeitenwende in der strafrechtlichen Aufarbeitung von Wertpapierleihgeschäften und möglicherweise auch von Cum-Cum-Geschäften dar. Neben einer möglichen Ausweitung der Strafverfolgung auf länger zurückliegende Geschäfte dürften auch die verschärften Anforderungen an die steuerliche Offenlegungspflicht zukünftig häufiger relevant werden.
Steuerpflichtige, die in der Vergangenheit an Wertpapierleihgeschäften oder anderen Cum-Cum-Transaktionen beteiligt waren, sollten daher ihre steuerlichen Erklärungen und mögliche Berichtigungspflichten prüfen. Da die strafrechtlichen Risiken steigen, ist eine vorausschauende Compliance-Strategie und eine Aufklärung der in der Vergangenheit getätigten Geschäfte wichtiger denn je.
*) Dr. Heiko Gemmel und Olaf Schneider sind Partner von Hogan Lovells.
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