Energieversorgung

Das neue Gasspeicher­gesetz fordert Betreiber und Kunden heraus

Mit einem neuen Gesetz will der Gesetzgeber Deutschland besser auf Gasmangellagen vorbereiten. Die Regelungen stellen einen gravierenden Eingriff dar. Sie gehen zu Lasten des Gashandels.

Das neue Gasspeicher­gesetz fordert Betreiber und Kunden heraus

Von Gabriele Haas und Florian-Alexander Wesche*)

Am 8. April 2022 hat der Deutsche Bundesrat dem Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zu­gestimmt und damit kurzfristig den Weg für gravierende Eingriffe in den Gasspeichermarkt freigemacht. Die Regelungen sind am 30. April in Kraft getreten.

Der Hintergrund für das Gesetz sind die historisch niedrigen Füllstände der Gasspeicher im Winter 2021/2022. Mit Blick auf den An­griffskrieg Russlands auf die Ukraine und die hohe Abhängigkeit Deutschlands von Gas aus Russland soll Deutschland besser für Gasmangellagen gerüstet werden. Einer von mehreren Bausteinen sollen Füllstandsvorgaben sein.

Gesetz sieht Umweg vor

Was heißt das? Nach Inkrafttreten des Gesetzes sind die Betreiber von Gasspeichern verpflichtet, Füllstände in Höhe von 80% zum 1. Oktober, 90% zum 1. Dezember dieses Jahres und 40% zum 1. Februar 2023 zu gewährleisten.

Was allerdings zu bedenken ist: Seit der Einführung der gesetzlichen Entflechtungsvorgaben sind die Gasnetze und Gasspeicher in voneinander getrennten Gesellschaften zu betreiben und auch von den Marktstufen Gasproduktion, Gaseinkauf und Gasvertrieb getrennt zu führen. Keiner der Akteure auf dem Gasmarkt ist damit allein in der Lage, für die sichere Versorgung mit Gas zu sorgen. Ein Speicherbetreiber verfügt im Grundsatz ebenso wenig wie ein Netzbetreiber über Erdgas.

Der Gesetzgeber hat deshalb erkannt, dass mit den Füllstandsvorgaben für Speicherbetreiber noch kein Gas in die Speicher fließt. Denn den Speicherbetreibern ist es, soweit sie es nicht für den Betrieb der Infrastruktur benötigen, verboten, Gas zu kaufen und zu verkaufen. Anstatt den Speicherbetreibern zu erlauben bzw. diese zu verpflichten, Gas einzuspeichern, hat der Gesetzgeber sich für einen Umweg entschieden.

Speicherbetreiber werden verpflichtet, in ihre vertraglichen Be­stimmungen mit Speicherkunden Neuregelungen aufzunehmen, wo­nach der Speicherkunde Füllstandsvorgaben einzuhalten hat. Die Frage, ob man privatwirtschaftlichen Unternehmen die Pflicht auferlegen kann, nach genauen Vorgaben und möglicherweise gegen die eigenen kommerziellen Interessen Gas einzulagern und nur zu bestimmten Zeiten auszulagern und kommerziell zu nutzen, wird auf die Ebene von Be­treiber und Kunde verlagert.

Ferner wird das schon geltende Prinzip „Use it or lose it“ ausgebaut. Speicherbetreiber müssen sich das vertragliche Recht ausbedingen und dieses ausüben, gebuchte, aber nicht genutzte Speicherkapazitäten sowie die sogenannte Ein- und Ausspeicherleistung im Umfang der Nichtnutzung zu entziehen. Dennoch soll der Speicherkunde für die entzogene Kapazität bezahlen.

Auch Altverträge betroffen

Die gesetzliche Pflicht der Speicherbetreiber, die vertraglichen Neuregelungen aufzunehmen, ist keinesfalls nur auf neue Verträge be­schränkt, sondern soll ab dem 14. Juli 2022 auch auf bereits laufende Verträge angewandt werden. Der Speicherbetreiber kann (oder muss) kündigen, wenn der Speicherkunde der Vertragsänderung nicht zu­stimmt. Das heißt, der Speicherbetreiber muss die Bestandskunden entweder überzeugen, neue kommerzielle Regelungen zu akzeptieren, oder sich von ihnen trennen.

Bereits in den letzten Jahren wurde den Marktgebietsverantwortlichen (MGVs) zunehmend eine immer größere koordinierende Rolle eingeräumt. Der MGV ist ein Gemeinschaftsunternehmen der großen Gasnetzbetreiber, das Aufgaben seiner Anteilseigner wahrnimmt. Er hat bereits heute die Pflicht, Defizite in der Gasbilanz auszugleichen. Diese Rolle für die Versorgungssicherheit wird nun erweitert.

Kosten landen beim Kunden

So wird er nach Zustimmung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz verpflichtet, Gas bzw. Gasoptionen zu erwerben und das Gas unter Nutzung der freigewordenen Speicherkapazität oder sonstiger zugekaufter Speicherkapazität einzuspeichern und ab Januar 2023 zu veräußern. Damit wird dem MGV eine Rolle zugebilligt, die dem gesamten Gasmarkt dient und eher einer kommerziellen denn rein infrastrukturellen Marktrolle ähnelt.

Der MGV legt die entsprechenden Kosten hierfür auf die sogenannten Bilanzkreisverantwortlichen (meist Gasversorger) um. Im Ergebnis landen damit die Kosten über die Versorger bei den (End-)Kunden.

Was bedeutet das für die Zukunft? Das Gasspeichergesetz reagiert auf die aktuelle Situation. Die Versorgungssicherheit wird erstmals seit der Einführung der Entflechtung der unterschiedlichen Marktrollen durch Maßnahmen, die den Gesamtmarkt integriert einbeziehen, gestärkt. Allerdings erfolgt dies zu Lasten des Gashandels.

Mit Blick auf die Einschnitte in die Gasspeicherverträge kommen Zweifel auf, ob die Buchung von Speicherkapazitäten für Gashandelsunternehmen noch attraktiv ist und ob so dem Gasspeichergeschäft nicht die kommerzielle Basis entzogen wird. Insofern scheint es nicht verkehrt, dass das Gesetz nach drei Jahren außer Kraft treten soll.

*) Dr. Gabriele Haas und Dr. Florian-Alexander Wesche sind Partner der globalen Wirtschaftskanzlei Dentons.

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