„Die wirtschaftliche Logik eines externen Run-off wird bleiben“
Sabine Wadewitz
Herr Dr. Eberlein, BaFin-Exekutivdirektor Grund zeichnete zuletzt ein düsteres Bild für die Zukunft einzelner Lebensversicherer in Deutschland. Geht es der Branche wirklich so schlecht?
Die deutschen Lebensversicherer sind nach meinem Eindruck überwiegend solide kapitalisiert und auch profitabel. Es gibt allerdings derzeit eine Reihe von Faktoren, die die Solvenzquoten in den nächsten Jahren stark belasten. Dazu gehören insbesondere das Auslaufen von Transitionals, strengere Eigenmittelvorgaben durch den Solvency II Review und das langanhaltende Niedrigzinsumfeld. Das belastet insbesondere das traditionelle Garantierentengeschäft in Deutschland. Praktisch alle Versicherer haben hierauf bereits mit der Umstellung auf neue, weniger kapitalintensive Produkte reagiert.
Das hilft zunächst nur beim Neugeschäft. Wie gehen die Versicherer mit ihren bestehenden, oft noch Jahrzehnte laufenden Altverträgen um?
Versicherer haben zahlreiche Möglichkeiten, die Kapitalbasis auch im reinen Bestandsgeschäft zu verbessern. Sie können zum Beispiel die Eigenmittel erhöhen oder die Risiken aus dem Bestand verringern. Seit dem letzten Jahr haben deutsche Versicherer die Möglichkeit, extern Tier-1-Eigenmittel durch die Emission von RT1-Anleihen aufzunehmen. Zuvor konnten diese Eigenmittel der höchsten Qualitätsklasse nur im Wege der Innenfinanzierung oder die Emission neuer Aktien geschaffen werden. Daneben wird die Solvenzkapitalquote durch den Umfang der vorhandenen Risiken beeinflusst. Die Risiken aus dem Bestandsgeschäft lassen sich überwiegend durch ein aktives Portfoliomanagement steuern.
Warum scheuen Versicherer vor dem Run-off zurück oder schließen ihn sogar kategorisch aus?
Die wirtschaftliche Logik eines externen Run-off wird bleiben, wenngleich die angebotenen Preise für die Versicherungsportfolien aufgrund der aktuellen Diskontierungskurve derzeit unter den Erwartungen potenzieller Verkäufer liegen. Bereits durch den Run-off, der Einstellung des Neugeschäfts für bestimmte Produktgruppen, können signifikante Effizienzvorteile geschaffen werden. Mit dem Verkauf des Portfolios oder des Lebensversicherungsträgers kann in erheblichem Maße Kapital freigesetzt werden, um neues, profitableres Geschäft in Deutschland anbieten zu können. Es sind zwei Szenarien denkbar: Entweder wird es zu einer Erholung des Zinsumfelds kommen, dann können auch wieder attraktivere Preise für die Portfolien geboten werden. Oder Zinsen werden weiter auf einem historisch absoluten Tief verharren. Dann dürfte aber auch der Druck auf einzelne Versicherer steigen, bestimmte Portfolien zu einem niedrigeren Preis abzugeben. Ein Verkauf, und damit oft der Verlust der Kundenbeziehung, ist aber nur eine denkbare Option.
Was wäre sonst denkbar?
Daneben bestehen zahlreiche weitere Möglichkeiten Risiken aus dem Portfolio abzugeben, sei es über den Kapitalmarkt oder den Rückversicherungsmarkt. Dadurch können Risiken aus dem Lebensversicherungsportfolio insgesamt oder passgenau bestimmte Teilrisiken aus dem Portfolio an Dritte übertragen werden. So hat es in jüngerer Zeit auch Rückversicherungstransaktionen gegeben, über die das Zinsrisiko transferiert wurde. Eine solche Lösung hat keine Auswirkungen auf die Bestandsverwaltung oder die Kundenbeziehung. Oft wird sie nicht einmal publik.
Wie häufig werden wir solche Transaktionen künftig sehen?
Wir haben in den letzten Jahren bereits einige Transaktionen gesehen und dieser Trend wird sich sicher auch fortsetzen. Es sind jedoch immer sehr individuelle Lösungen notwendig, wenn man den Entlastungseffekt maximieren möchte. Dafür braucht es schon eine kritische Größe, die nicht alle Unternehmen im fragmentierten deutschen Lebensversicherungsmarkt aufweisen. Dies wird den Konsolidierungsdruck in der Branche noch weiter erhöhen. Wie immer werden am Ende die Lebensversicherer am erfolgreichsten aus dem Veränderungsprozess hervorgehen, die am schnellsten und besten in der Lage waren, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen.
Dr. Carl-Philipp Eberlein ist Partner von Hengeler Mueller in Düsseldorf. Die Fragen stellte .