GastbeitragKrisenfälle im Immobiliensektor

Distressed Real Estate – Abwarten oder Handeln?

Geraten gewerbliche Immobilien, die nicht mehr funktionsfähig sind, oder Entwicklungsprojekte in eine Krise, muss die Kapital- und Finanzstruktur angepasst werden. Ein Investor muss frisches Fremd- oder Eigenkapital bereitstellen.

Distressed Real Estate – Abwarten oder Handeln?

Optionen für Distressed Real Estate

Wann Abwarten die richtige Strategie ist und wann gehandelt werden muss – Im Krisenfall ist Investor erforderlich, der Eigen- oder Fremdkapital einbringt

Von Sven Schelo und Michaela Sopp *)

Im Sektor für gewerbliche Immobilien gibt es derzeit vermehrt Krisenfälle. Diese sind Symptome eines toxischen Mixes aus gestiegenen Zinsen, erhöhten Baukosten, gesunkener Nachfrage durch vermehrte Tätigkeit im Homeoffice und abgeschwächter Konjunktur. Bei vielen dieser Krisenfälle kann Abwarten eine vernünftige Strategie sein, insbesondere für Immobilien, die in ihrem Bestand funktionsfähig sind. Bessert sich das Marktumfeld für solche Objekte, kann auch deren Wert wieder ansteigen und die Veräußerbarkeit wenigstens zum Nennwert der ausstehenden Finanzierung möglich sein.

Investor erforderlich

Allerdings kann die Analyse für solche Immobilen, die nicht in ihrem Bestand funktionsfähig sind, gänzlich anders sein. Gemeint sind etwa solche Objekte, deren Bau begonnen wurde, aber aufgrund Liquiditätsmangels nicht fertiggestellt werden konnte; oder solche Immobilien, die dringend sanierungs- bzw. renovierungsbedürftig sind.

Nicht selten werden die bestehenden Finanzierer sich schwertun, frisches Geld zu geben, um den Bau oder die Sanierung durchzuführen. Häufig fehlt es dem Unternehmen (also dem Developer) auch bereits an der Liquidität, um zusätzlichen Kredit aufzunehmen, zumal wenn schon die Bedienung des existierenden Kredites gefährdet ist. Auf der anderen Seite scheitern Kreditveräußerungen oft an divergierenden Preisvorstellungen von Erwerber und Banken.

Nachrang für Altgläubiger

In solchen Fällen ist eine Restrukturierung in Betracht zu ziehen, um den Wert der Immobilie zu erhalten oder sogar zu steigern. Restrukturierung bedeutet eine Anpassung der Kapital- und Finanzierungsstruktur. Dafür ist zunächst einmal ein Investor erforderlich, der bereit ist, die Fertigstellung oder Sanierung der Immobilie zu finanzieren – entweder durch Eigenkapital oder Fremdkapital. Neben dem Investor werden auch die Banken, Gesellschafter und das Unternehmen selbst in die Restrukturierung eingebunden werden müssen.

Als Fremdkapital kommt zunächst ein Kredit durch den Investor in Betracht, der sich aber in die bestehende Finanzierungsstruktur einfügen muss. Weitere Varianten zum klassischen Kredit sind denkbar, etwa als Unterbeteiligung oder ein Credit Default Swap. Der Investor wird nur dann bereit sein, neuen Kredit zu geben, wenn er gut abgesichert ist. Diese Absicherung wird in der Regel vorrangig vor den bestehenden Banken erfolgen, also als Super Senior. Dafür müssen die bestehenden Banken bereit sein, im Rang zurückzutreten. Dies kann durch eine förmliche Rangänderung bei den Grundpfandrechten oder aber auch durch eine rein interne Verteilungsregelung zwischen den Finanzierern vollzogen werden. Ohne Zustimmung der Banken wird dies allerdings kaum möglich sein.

Auch eine Bewertungsfrage

Es ist daher – aus Investorensicht – sehr zentral, sich darüber im Klaren zu sein, welche Vor- und auch Nachteile für die Banken bei so einer Rangänderung entstehen und welche weiteren Vorteile oder Anreize den Banken angeboten werden können. Der ersichtliche Vorteil liegt auf der Hand: der Werterhalt oder die Wertsteigerung der Immobilie. Durch die geänderte Rangordnung erhöht sich allerdings das Ausfallrisiko für die Banken im Grundsatz.

Letztlich ist es auch eine Bewertungsfrage, ob sich dieser Nachrang für die Banken – im Falle eines Verkaufs oder einer Vermietung – wirtschaftlich rechnet. Dies wäre der Fall, wenn durch die zusätzliche Investition der Wert der Immobile den Wert der aufsummierten Kreditforderungen (nebst Zinsen) abdeckt oder sogar übersteigt oder infolge einer Vermietung die Aufnahme des Zins- und Tilgungsdienstes wieder ermöglicht wird. Darüber hinaus ist auch in Betracht zu ziehen, dass sich bei Einstieg eines Investors mit Fremdkapital der Finanziererkreis ändert. Nicht jede Bank ist aufgeschlossen, neue Investoren in diesen Kreis aufzunehmen. Aus verschiedenen Gründen kann daher der Einstieg eines Investors als Gesellschafter mit neuem Eigenkapital in Betracht kommen. Dies wäre der Fall, wenn sich die bestehenden Banken einer Fremdkapitallösung verschließen und stattdessen einen Investor grundsätzlich „im Eigenkapital“ sehen.

An Wertsteigerung teilhaben

Der Wunsch kann aber auch von den Investoren selbst kommen, denn häufig werden sie sich nicht mit der bloßen Verzinsung ihres Engagements abfinden wollen, zumal diese häufig, mangels Liquidität, ja auch gar nicht geleistet werden kann. Der Investor wird daher erwarten, an der Wertsteigerung der Immobilie zu partizipieren.

Damit aber die Immobilie mit einem Gewinn in Zukunft veräußert werden kann, muss der Veräußerungserlös über den Kreditverbindlichkeiten liegen. Hier kommt es erneut auf die Bereitschaft der Banken an, kreative Lösungen mitzugehen. So kann eine Rangigkeit (Wasserfall) bei der Veräußerung der Immobilie vereinbart werden: zuerst wird beispielsweise ein bestimmter Sockelbetrag des Kredites zurückgeführt, dann das Kapital des Investors, dann ein bestimmter (Rest-)Teil des Kredites und eine erste Gewinntranche für den Investor.

Verzicht mit Besserungsschein

Sollte der Erlös die gesamte Kreditforderung überschreiten, böte es sich an, den Gewinn unter Banken und Investor nach einem bestimmten Schlüssel aufzuteilen. So erhalten die Banken auch einen weiteren Anreiz, an der Restrukturierung mitzuwirken. Juristisch kennen wir solche Strukturen aus Rangrücktrittsvereinbarungen oder Verzichten mit Besserungsschein, nur dass hier im Unterschied auch noch die Teilhabe an einem Gewinn enthalten ist, der gegebenenfalls auch als Restrukturierungsgebühr ausgestaltet werden könnte.

Der Rangrücktritt als solcher lässt, anders als ein Verzicht, die Kreditforderung zunächst unberührt. Insofern gibt es hier auch einen gewissen buchhalterischen Spielraum, der möglicherweise von Banken genutzt werden könnte. Dies ist aber letztlich auch eine Bewertungsthematik und eine Frage der Bilanzierungspraxis.

Die Möglichkeiten des StaRUG

Sollte der Investor neues Eigenkapital einschießen, muss hierfür die Zustimmung des Altgesellschafters vorliegen, denn der Investor wird dafür in die Gesellschafterstellung eintreten müssen. Damit rückt der Altgesellschafter als weiterer Player in den Vordergrund. Denn weder die Banken noch der Investor haben im Hinblick auf die Immobilie eine Verkaufs- oder Investitionsbefugnis. Allerdings wird der Altgesellschafter eine Zustimmung häufig nicht erteilen oder von Konzessionen abhängig machen. Für diese Fälle, bietet das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) die Möglichkeit, Gesellschafterwechsel auch gegen den Willen des Altgesellschafters und außerhalb eines Insolvenzverfahrens zügig durchzuführen.

Voraussetzung ist zunächst, dass die Besitzgesellschaft bereits drohend zahlungsunfähig ist. Sollte schon Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen, müssten diese zunächst beseitigt werden. Ist bereits ein Insolvenzverfahren im Gange, können ähnliche Ergebnisse über einen Insolvenzplan erreicht werden, der aber mehr Formalitäten mit sich bringt. Voraussetzung für das erfolgreiche Durchführen eines StaRUG Verfahrens ist weiter, dass die Gruppe der Finanzierer dem Einstieg des Investors mit einer Mehrheit von 75% (nach Forderungen) zustimmt.

Frage der Initiative

Idealerweise haben die Banken und der Investor vor dem Beginn des StaRUG Verfahrens die Eckpunkte der Sanierung bereits festgezurrt und mit dem Unternehmen abgestimmt. Das StaRUG wird vom Unternehmen (also der Besitzgesellschaft) eingeleitet und geführt. Ohne einen kooperativen Geschäftsführer im Unternehmen wird ein solches Verfahren also nicht umsetzbar sein.

Auf der anderen Seite ist der Geschäftsführer des Unternehmens auch in der Krise verpflichtet, sämtliche Sanierungsoptionen und auch solche gemäß StaRUG auszuloten und gegebenenfalls umzusetzen. Das Unternehmen wird sich also in der Regel einem zwischen Investoren und Banken abgestimmten Restrukturierungsplan nicht verschließen, wenn es nicht ohnehin die Initiative ergreift.

Die Frage der Initiative ist überhaupt eine der wichtigsten in solchen Prozessen. Das Interesse an einer Lösung sollten alle genannten Beteiligten haben. Treibende Kraft ist allerdings nicht selten der Investor, der für die erfolgreiche Umsetzung unter den genannten Beteiligten den richtigen Running Mate, sprich Partner, finden muss.   

*)  Dr. Sven Schelo ist Partner im Frankfurter Büro von DLA Piper und spezialisiert auf Restrukturierung und Insolvenz. Michaela Sopp ist Partnerin im Bereich Bankrecht und Finance der Kanzlei in München und Frankfurt.

Dr. Sven Schelo ist Partner im Frankfurter Büro von DLA Piper und spezialisiert auf Restrukturierung und Insolvenz. Michaela Sopp ist Partnerin im Bereich Bankrecht und Finance der Kanzlei in München und Frankfurt.