ESG-Kriterien in der Projektentwicklung von Immobilien
Von Sabine Reimann*)
Offenlegungsverordnung, Taxonomieverordnung (TVO), Regulatory Technical Standards – das sind die ESG-Regularien der EU. ESG (Environment, Social, Governance) gilt auch für Immobilienfonds und damit für Immobilien, die Bestandteil der „Grünen Funds“ werden sollen. Die ersten delegierten Rechtsakte definieren die technischen Prüfkriterien zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel und gelten seit 1. Januar 2022.
Ziel der EU ist, klare langfristige Anreize zu schaffen, Finanzströme in Projekte und Aktivitäten mit positiven Umweltauswirkungen zu lenken. Was heute geplant und gebaut wird, wird in zwei bis drei Jahren verkauft. Ab dem Berichtsjahr 2022 gilt für alle Finanzprodukte, die nicht unter Art. 6, 8 oder 9 TVO fallen, dass darauf hingewiesen werden muss, dass das Finanzprodukt nicht die EU-Kriterien für umweltverträgliches Wirtschaften berücksichtigt.
Schon jetzt ist festzustellen, dass kritisch geprüft wird, ob die Immobilie, die für Funds erworben wird oder in die man mit dem Unternehmen umziehen will, den ESG-Kriterien entspricht. Ansonsten drohen schon jetzt Kaufpreisabschlag oder Leerstand. Als „nicht umweltfreundlich“ abgestempelte Immobilien werden für Investoren unattraktiv.
Für „E“, die ökologische Nachhaltigkeit, müssen nach der TVO vier Kriterien erfüllt werden, nämlich (1) ein wesentlicher Beitrag zu einem oder mehreren Umweltzielen, ohne (2) solche wesentlich zu beeinträchtigen, bei (3) Einhaltung der Mindestschutzmaßnahmen und (4) der technischen Prüfkriterien.
Die TVO sieht sechs Umweltziele vor, nämlich (1) Eindämmung des und (2) Anpassung an den Klimawandel, (3) Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, (4) Übergang zur Kreislaufwirtschaft, (5) keine Umweltverschmutzung und (6) den Schutz der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme.
Immobilien als „Sachen“ können hauptsächlich in dem Kriterium „E“ punkten, also in der Herstellung, den verwendeten Bauprodukten und der Bewirtschaftung ökologisch nachhaltig sein. „S“ und „G“ betreffen meist die Eigentümer-/Nutzerstruktur und sind im Immobilien-Lebenszyklus vielfältigen Änderungen unterworfen. Bei Labeln, die auf „E“, „S“ und „G“ abstellen, ist daher zu berücksichtigen, dass dies eine Momentaufnahme darstellt.
Ferner liegen allen Labeln (nur) die Bewertungen zugrunde, die von den jeweils ausgebenden Organisationen entwickelt worden sind. Ob diese im Einzelfall dann wirklich abbilden, was hinter TVO und Offenlegungsverordnung steht, ist bisher bei keinem der Label sicher. Tendenziell dürfte aber gelten: Je niedriger der Standard der Label gesetzt wird, das heißt, je stärker weiche Kriterien wie zukünftige Strategien und Ähnliches gewichtet werden, umso größer ist das Risiko, sich von den Vorgaben der TVO zu entfernen.
Frage der Dokumentation
In der Projektentwicklung sind einige Kriterien leichter, andere schwerer zu erreichen. Die gesetzlichen Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes definieren die Mindestanforderungen. Die Erfüllung der vom Bundesinnenministerium für das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen entwickelten Kriterien ist streng, berücksichtigt aber bereits heute die „E“-Kriterien sowie Standards aus „S“ und „G“. Gleiches gilt für das staatliche Qualitätssiegel „Nachhaltiges Gebäude (QNG)“. Insbesondere die Tatsache, dass die Erfüllung der Anforderungen durch eine unabhängige Prüfung nach Baufertigstellung nachgewiesen werden muss, schützt vor dem Vorwurf des Greenwashing.
Konkret ist der Nachweis oft eine Frage der Dokumentation. Dies gilt von Beginn an. Wer vor Rückbau und Revitalisierung alten Bestands prüft, wie viel der Bausubstanz erhalten wird und welchen CO2-Ausstoß dies im Vergleich zum kompletten Abriss und Neubau spart, tut nicht nur viel für die Umwelt, sondern auch für die Dokumentation des „E“.
Wichtig sind Nachweise der verbauten Produkte, der Nachweis der Herkunft und eventuelle Umweltsiegel – all dies sollte Bestandteil der Revisionsunterlagen sein. Auch die Trennung und Vermeidung von Müll, Staub und Lärm auf der Baustelle stellt einen Umweltschutzbeitrag dar – auch wenn die Verpflichtung nach immissionsschutzrechtlichen Vorschriften ohnehin besteht.
Die technische Gebäudeausstattung sollte die Erfassung aller Verbräuche jederzeit ermöglichen. Diese technische Möglichkeit muss sich in den Mietverträgen spiegeln und der Mieter aus datenschutzrechtlichen Gründen zustimmen. Green Leases sehen das in der Regel vor. Nur so kann eine langfristige Umweltstrategie nachgewiesen werden – ohne Verbrauchserfassung kein Reduzierungspotenzial durch intelligente Gebäudebewirtschaftung. Eine ökologisch sinnvolle Innenhofgestaltung mit einheimischen Pflanzen ist oft nicht nur schöner als Parkplätze oder Kirschlorbeerhecken, sondern für Insekten auch attraktiver. Selbst notwendige Parkplätze könnten unversiegelt hergestellt werden.
Im Rahmen der Berücksichtigung des Klimawandels zu prüfen, ob Haustechnikzentralen in gewässernahen Gebäuden vom Keller in die Obergeschosse zu verlegen sind, ist ein weiterer Baustein. Projektentwicklern ist zu empfehlen, jede Planung gemeinsam mit ESG-Spezialisten kritisch auf „E“-Potenziale zu optimieren. Von vornherein eingeplant, sind viele der Kosten vertretbar – nur besser im Rahmen der ESG-Kriterien dokumentiert.
*) Sabine Reimann ist Partnerin von Hogan Lovells in Düsseldorf.