Streit ums Geld – wer bekommt die Restmittel der nationalen Bankenabgabe?
Streit um Rückzahlung der nationalen Bankenabgabe
Zweck hat sich erledigt – Ampel-Aus hat Folgen für Restrukturierungsfonds – Herausfordernde juristische Fragen
Von Mathias Hanten
und Moritz Maier *)
Das Aus der Ampel-Regierung hat gesetzgeberische Konsequenzen – nicht zuletzt für die lange Pipeline finanzwirtschaftlicher Gesetzesvorhaben. Eine aktuelle Frage betrifft den Umgang mit den Restmitteln der ursprünglichen nationalen Bankenabgabe. Diese Sonderabgabe mussten die Banken von 2011 bis 2014 in den Restrukturierungsfonds (RSF), ein Sondervermögen des Bundes, einzahlen.
Inzwischen wurde der Single Resolution Fund (SRF) als europäische Lösung etabliert und 2016 eine hohe Sicherungssumme aus dem RSF auf den SRF übertragen. Der Restbestand des nach wie vor existierenden RSF beträgt 2,3 Mrd. Euro, die aktuell im wahrsten Sinne „zwecklos“ sind.
Was also tun?
Zunächst ein „Luxusproblem“, wird die Angelegenheit nun zur Hängepartie, denn der Charakter der Bankenabgabe als Sonderabgabe setzt den Verwendungsmöglichkeiten klare, verfassungsrechtliche Grenzen. Die gesammelten Finanzmittel müssen gruppenbezogen verwendet werden, was aber durch die (Über-)Befüllung des europäischen SRF mit 78 Mrd. Euro zwischenzeitlich mehr als erreicht werden konnte. Was also tun?
Bereits seit 2023 wird über den weiteren Umgang mit dem deutschen RSF-Rest diskutiert. Hunderte Kreditinstitute haben im Frühjahr 2024 bei der BaFin als Verwalterin des RSF die Rückzahlung der RSF-Restmittel beantragt. Mit einem Kabinettsbeschluss zum Restrukturierungsfonds-Übertragungsgesetz (RStruktFÜG) im Sommer 2024 wollte die Bundesregierung diesen Forderungen entgegentreten. Der Referentenentwurf sieht eine Übertragung der RSF-Restmittel auf den Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) zur dortigen Schuldenreduzierung vor. Wörtlich aus dem Referentenentwurf: „Eine Rückführung der Altmittel an die Abgabepflichtigen wird nicht verfolgt.“
Zweck hat sich erledigt
Trotz – oder möglicherweise gerade wegen – dieser in Aussicht stehenden gesetzlichen Regelung erhoben einige Kreditinstitute verwaltungsgerichtliche Untätigkeitsklage, um die BaFin als RSF-Verwalterin zu einer Bescheidung zu veranlassen. Hierin kommt die Auffassung der Banken zum Ausdruck, dass der Umgang mit den RSF-Restmitteln im Ermessen der BaFin stehe und ein Rückzahlungsanspruch gegeben sei. Das Nachsuchen ist intuitiv nachvollziehbar: „Der Zweck der Sonderabgabe hat sich erledigt – damit gibt es keinen Grund mehr für ein Behaltendürfen des Staates.“
Während lange Zeit, auch von Seiten der BaFin, eine gesetzliche Lösung erwartet wurde und werden konnte, hat sich die Lage durch das Ampel-Aus verändert. Eine Verabschiedung des RStruktFÜG noch in dieser Legislaturperiode ist ungewiss bis unwahrscheinlich. Die Frage, wie und wann ein neuer Bundestag die Situation regeln kann, ist nicht abzusehen.
Rechtsgutachten
Der Fokus richtet sich deshalb, von allen Beteiligten ungewollt, wieder auf die bisherige Rechtslage, mit der nun das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main befasst ist. Über diese Rechtslage hat das Rechtswissenschaftlerteam Milutinovic/Reimer von der Universität Heidelberg im März 2022 dem Bundesministerium der Finanzen, also unter der Ägide Christan Lindners, ein Rechtsgutachten erstattet. Im Ergebnis spricht sich das Gutachten gegen einen Rückzahlungsanspruch der Banken aus, lehnt gleichzeitig aber auch eine Rückführung des RSF-Rests in den Bundeshaushalt ab. Mit der Überführung in den SoFFin verfolgt das RStruktFÜG-E die auch im Rechtsgutachten als am naheliegendsten vertretene Lösung.
„Schwebezustand“
Das Gutachten stellt den mit der Bankenabgabe verfolgten Lenkungszweck an verschiedenen Punkten in den Mittelpunkt der Argumentation. Der Lenkungszweck wird in dreierlei Hinsicht – Vermeidung riskanten Verhaltens der Banken, Vermeidung von Wetten auf Finanzmarkterschütterungen und objektive Stabilisierung durch Möglichkeit der Befriedigung von Gläubigern – gesehen (Tz. 109 ff.).
Einen verfassungsunmittelbaren Erstattungsanspruch der Banken gegen den Bund lehnt das Gutachten unter Hinweis auf den derzeitigen „Schwebezustand“ ab. Da der RFS seinen Lenkungszweck mangels konkreter (Unter-)Stützungsfälle „nicht besser hätte erfüllen können“, habe der Gesetzgeber einen größeren Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Weiterverwendung von Restmitteln, als wenn diese allein als Finanzierungsabgabe erhoben worden wären (Tz. 165).
Ein Erstattungsanspruch müsse legislativ entweder zu- oder aberkannt werden. Das diesbezügliche legislative Entschließungsermessen bestehe in beide Richtungen auf grundsätzlich unbestimmte Zeit fort (Tz. 166 ff.). Diese Argumentation muss in den anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Kritik stoßen. Dass der Gesetzgeber zweckbezogen vereinnahmte Finanzmittel jahr(zehnt)elang ungenutzt stehen lassen kann, ist keine rechtlich befriedigende Lösung. Dass gerade die vorliegende bestmögliche Erfüllung des (ursprünglichen) Lenkungszwecks ein besonders weitreichendes Entschließungsermessen des Gesetzgebers hinsichtlich des (neuen) Zwecks rechtfertigt, ist nicht zwingend und wird im Gutachten auch nicht weiter begründet.
Sicherungserfolg kaum belegbar
Interessanterweise findet sich das Argument der Erfüllung des Lenkungszwecks aber auch am Gegenpol der Rückführung der RFS-Restmittel in den allgemeinen Staatshaushalt. Dies wäre laut Gutachten – hier denkt man kreativ – vorstellbar, wenn der Bund(eshaushalt) als eine Art „Versicherer“ zu sehen wäre. Dann wäre der Lenkungszweck der Bankenabgabe unmittelbar durch ihre Zahlung als „Versicherungsprämie“ erfüllt. Eine solche „Versicherungsprämie“ dürfte direkt in den Bundeshaushalt einfließen (Tz. 123 f.). Für die deutsche Bankenabgabe fehlt es hierfür allerdings an konkreten normativen Ansatzpunkten; der Ansatz wird deshalb im Rechtsgutachten abgelehnt (Tz. 124).
Zugleich räumt das Gutachten aber ein, dass die Kausalität des RFS für den Sicherungserfolg nach der Finanzmarktkrise 2008/2009 ökonometrisch kaum belegbar ist. Einerseits soll die Erfüllung des Lenkungszwecks also mittelbar die Ablehnung des Erstattungsanspruchs der Banken stützen. Andererseits kann die tatsächliche Erfüllung dieses Lenkungszwecks im Rahmen der Versicherungsmodell-Argumentation nicht rechtssicher festgestellt werden.
Ein alternativer Gedanke
Auch rechtsdogmatisch stellen sich herausfordernde Fragen: Der Anspruch auf Rückerstattung an die Banken wird im Gutachten an den Maßstäben des zivilen Bereicherungsrechts gemessen, also rein kondiktionsrechtlich diskutiert. Diese Beschränkung mutet etwas fantasielos an – und könnte vielleicht auch nicht sachgerecht sein.
Ein alternativer Gedanke: Ließe sich nicht mit gleicher Berechtigung das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts fruchtbar machen? Die Interessenlage scheint jedenfalls vergleichbar. So haben sich die Banken, wenn auch unter staatlichem Zwang, zu einer gemeinsamen Zweckverfolgung zusammengefunden. Dieser Zweck ist entfallen. § 734 BGB sieht für eben diese Konstellation die Verteilung des verbleibenden Vermögens vor. Die diesbezügliche Rechtsprechung gibt Aufschluss darüber, bis wann die Verteilung bei Fehlen alternativer Regelungen (Stichwort: RStruktFÜG-E) zu erfolgen hat.
Warum sollte man diese Fristen und Systematik, in Ermangelung sonstigen Rechts, nicht ebenso heranziehen können wie die kondiktionsrechtlichen Grundsätze? Im Bereich der zweckorientierten Sonderabgaben ist dieser Ansatz vielleicht sogar besser zu begründen als ein Tanz auf dem Drahtseil des Rechtsgrunds „Lenkungszweck“. Jedenfalls würde der derzeitige Schwebezustand begrenzt oder sogar beendet.
Von Anfang an regeln
Die im Detail schwierig zu beurteilende Rechtslage zu den RFS-Restmitteln verstärkt den Ruf nach dem Gesetz. Das Ampel-Aus macht aber klar, dass legislative Einzelantworten nicht mehr so zuverlässig zur Verfügung stehen wie in der Vergangenheit. Das zwingt zur Anwendung geltenden Rechts – wobei man wie stets auf die bekannte Kreativität der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit hoffen darf.
Zugleich geht es aber auch um grundlegende finanzverfassungsrechtliche Themen, die der Bundespolitik bekannt sind: Welcher Gestaltungs- und Umwidmungsspielraum besteht bei der Finanzierung krisenbezogener Staatsaufgaben? Und wer trägt die Verantwortung für Fehl- und Überkalkulationen? Lessons learned für zukünftige Gesetzgeber – wenn auch etwas schlaumeierisch –: Das Schicksal von Resten aus anlassbezogenen Sonderabgaben sollte von Anfang an im Anordnungsgesetz geregelt werden.
*) Dr. Mathias Hanten ist Partner von Deloitte Legal. Dr. Moritz Maier ist Counsel in der Kanzlei.