Tokenbasierte Schuldverschreibung vermehrt gefragt
Von Kilian Pfahl*)
Ein unverkennbares Merkmal von Start-ups ist der stetige Bedarf an Außenfinanzierung. Dabei stehen Gründer vor der Herausforderung, dass ihren jungen Unternehmen der Zugang zu klassischem Fremdkapital mangels aussagekräftiger Ratings und Sicherheiten verwehrt bleibt.
Venture Debt kommt insbesondere für frühphasige Start-ups aufgrund hoher Transaktionskosten und mangelnden Eigenkapitals nicht in Betracht. Zudem müssen die oftmals hohen Zinsen und Tilgungsraten aus dem eigens generierten Umsatz bedient werden. Umfangreiche Equity Kicker ergänzen die Liste der Kapitalkosten. Das weitere Wachstum wird daher meist durch Eigenkapitalmaßnahmen finanziert. Die entstehende Verwässerung im Cap Table ist für die Gründerteams aber eine teure Gegenleistung.
Eine jüngst vermehrt eingesetzte Alternative bieten tokenbasierte Schuldverschreibungen. Doch ist diese Finanzierungsform für Start-ups eine taugliche und günstigere Option zum klassischen VC-Investment?
Rechtliche Besonderheiten
Die tokenbasierte Schuldverschreibung als (Inhaber-)Schuldverschreibung (Anleihe) wird meist durch Crowdfunding platziert. Die Anleger überlassen der Emittentin für eine bestimmte Zeit einen bestimmten Geldbetrag. Als Gegenleistung erhalten sie während der Laufzeit Zinszahlungen. Marktüblich sind etwa 5% bis 8% p.a. Nach Ablauf der Laufzeit ist der Nennbetrag der Schuldverschreibung zurückzuzahlen (Lending-Based Crowdfunding). Im Exit-Fall partizipiert die Anleihe mit einer Quote.
Anders als bei herkömmlichen Anleihen wird bei einer tokenbasierten Schuldverschreibung der Rückzahlungs- und Zinsanspruch nicht verbrieft. Vielmehr werden tokenbasierte Schuldverschreibungen entweder als Wertpapiere sui generis oder als elektronische Wertpapiere begeben – wesentliches Unterscheidungskriterium ist die Funktion des (Krypto-)Wertpapierregisters.
Beim elektronischen Wertpapier kommt der Eintragung in dieses Register konstitutive Wirkung für die Inhaberschaft der Forderung zu, wohingegen die Forderung beim Wertpapier sui generis grundsätzlich frei übertragbar ist („das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier“). Jede emittierte Schuldverschreibung wird durch ein ERC-20-kompatibles Security Token herausgegeben, welches die Rechte aus der Schuldverschreibung repräsentiert.
Vordergründiges Motiv der Privatanleger ist oftmals nicht (nur) die Maximierung der Rendite, sondern auch die Förderung eines bestimmten Projekts. Daher eignet sich diese Finanzierungsform insbesondere für Start-ups mit einem auf Nachhaltigkeit, Gemeinnützigkeit oder Lifestyle geprägten Zweck.
Für Start-ups besteht der wesentlichste Vorteil in der Cap-Table-Neutralität. Crowd-Investoren werden nur schuldrechtlich am Start-up beteiligt, insbesondere um Prospektpflichten und Gesellschafterkreise mit hunderten von Kleinstbeteiligten zu vermeiden. Eingesetzt werden hybride, der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung wirtschaftlich angenäherte Finanzierungsformen (Genussrecht, partiarisches Darlehen).
Das Vertragswerk ist im Gegensatz zu den individuell ausverhandelten Beteiligungs- und Gesellschafterverträgen, Wandeldarlehensverträgen oder Venture-Debt-Verträgen schlank. Insbesondere entfällt der umfangreiche Garantiekatalog und das damit einhergehende Haftungsrisiko. Auch wird keine Due Diligence durchgeführt. Die Transaktionskosten sind dementsprechend relativ gering. Mit Crowdfunding geht zudem ein Marketingeffekt einher. Durch Veröffentlichung des Unternehmens auf den Plattformen können überzeugte Investoren einen Netzwerk-Multiplikatoreffekt auslösen.
Crowdfunding ist meist ungeeignet, den Finanzierungsbedarf eines Start-ups vollständig zu decken. Der Umfang einer tokenbasierten Schuldverschreibung liegt typischerweise zwischen 100000 Euro und 3 Mill. Euro.
Marketingeffekt
Das Start-up gewinnt bei Finanzierung durch Crowdfunding zudem kein neues Know-how durch Branchenexperten und kann auch nicht vom Netzwerk eines klassischen VC-Investors profitieren. Ferner besteht aufgrund der Nähe zur Öffentlichkeit ein nicht zu vernachlässigendes Shitstorm-Risiko, beispielsweise wenn Verbraucherverbände in der Vertragsdokumentation unzulässige Bestimmungen zu Lasten der Privatinvestoren identifizieren. Zuletzt sind die relativ hohen Plattformgebühren und Provisionen zwischen 4% und 12% der Finanzierungssumme zu nennen.
Eine tokenbasierte Schuldverschreibung kann für bestimmte Start-ups eine sinnvolle Ergänzung zum klassischen VC-Investment sein, kann dieses aber in aller Regel nicht ersetzen. Für Start-ups mit Bezug zum Verbrauchermarkt besteht zudem ein wertvoller Marketingeffekt.
Die rechtlichen Bedingungen der Anleihe sind aber sorgfältig zu prüfen. Ein fehlerhaftes oder ungünstiges Vertragswerk kann die weitere VC-Finanzierung behindern oder ein Naming and Shaming durch Verbraucherschutzverbände auslösen.
*) Dr. Kilian Pfahl ist Senior Associate von Hogan Lovells in München.