Europäische Dauerläufer, die langfristig überzeugen
Aktienanlage
Europäische Dauerläufer
Unternehmen, die nachhaltiges Wachstum und hohe Margen erzielen, sind für Anleger besonders interessant
Nicht nur beim Marathonlauf, auch am Aktienmarkt zählt die Ausdauer. Unternehmen, denen es gelingt, aufgrund ihres Geschäftsmodells über einen langen Zeitraum Umsatz und Ertrag zu steigern, lohnen sich meist auch für Investoren. Darauf setzt unter anderem auch Investment-Legende Warren Buffett.
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Der Marathon ist ein hochinteressanter Wettkampf und bietet Zusehern oft mehr Spannung als das kurze Spektakel eines 100-Meter-Finals. Während bei letzterem oft schon der Start entscheidet, gewinnen über die 42-Kilometer-Distanz meist nicht die Läufer, die forsch losrennen, sondern jene, die Ausdauer zeigen und ihr Tempo auf die Dauer durchhalten.
Auch am Aktienmarkt zählt oft der lange Atem. „Viele Anleger hoffen auf schnelle Gewinne, indem sie auf populäre Empfehlungen, Turnaround-Situationen, Überraschungen bei Quartalszahlen oder andere Situationen setzen“, erklärt Christian Kahler, der langjährige Chefanlagestratege der DZ Bank, der inzwischen mit Jürgen Kurz eine eigene Fondsboutique gegründet hat. „Doch bringen solche Spekulationen oft nicht den erhofften Profit.“ Eine Alternative seien Aktien von Unternehmen, denen es gelingt, über einen langen Zeitraum Umsatz und Ertrag zu steigern. „Solche Konzerne verfügen über Geschäftsmodelle, die Wettbewerber schwer attackieren können.“
Dass sich ein genaues Hinsehen, der Kauf von Ausdauer-Aktien und ein langfristiger Anlagehorizont lohnen, hat Warren Buffett, der erfolgreichste Investor dieser Welt vorgemacht. Mit seinem börsennotierten Investmentvehikel Berkshire Hathaway hat der inzwischen 93-jährige Buffett sich nicht nur ein eigenes Vermögen von etlichen Milliarden Dollar aufgebaut, auch die Anleger, die langfristig in Berkshire investierten, sind reich geworden. Zuletzt war Berkshire übrigens mit einem erheblichen Teil des Vermögens in Apple investiert. Früher favorisierte der Top-Investor Coca-Cola.
Buffett ist daher das Vorbild für Kahler und andere Value-Investoren. „Ein wirklich großartiges Unternehmen muss einen dauerhaften Schutz haben, der eine hervorragende Rendite auf das investierte Kapital sichert“, erklärt Buffett. Die Dynamik des Kapitalismus garantiere, dass Konkurrenten jede „Burg“ eines Unternehmens, das hohe Renditen erwirtschafte, immer wieder angreifen würden. „Daher ist ein gewaltiges Hindernis, wie zum Beispiel die Tatsache, dass ein Unternehmen ein Niedrigkostenproduzent ist oder eine starke Marke besitzt, für einen nachhaltigen Erfolg unerlässlich.“
Das Problem ist laut Kahler, dass nur die wenigsten Unternehmen starken Eintrittsbarrieren oder Burggräben haben, die sie schützen. Von fast 29.000 Unternehmen, deren Aktien zwischen 1950 und 2009 an den US-Börsen gehandelt wurden, seinen bis 2009 fast 80% wieder verschwunden gewesen. Hingegen hätten Unternehmen mit langer Historie, die zuvor schon Krisen und Rezessionen souverän gemeistert hätten, eine hohe Widerstandskraft und sollten auch in Zukunft überzeugen.
Konstantes Wachstum
Einen ähnlichen Investmentansatz verfolgt der französische Assetmanager Comgest, der sogar einen eigenen Fonds auf europäische Dauerläufer-Aktien aufgelegt hat. „Abseits der Schnelllebigkeit und Hektik an den heutigen Aktienmärkten gibt es etablierte Unternehmen, die teilweise seit mehr als 100 Jahren bestehen. Diese haben Weltkriege, Rezessionen und die digitale Revolution erfolgreich bewältigt und wachsen auch heute konstant“, erläutert Portfoliomanager Alistair Wittet. Solche Dauerläufer oder auch Marathonläufer hätten über Zeiträume von mehreren Jahrzehnten immer wieder ihre Fähigkeit bewiesen, Krisen zu bewältigen oder sich neu zu erfinden. Zwar verzeichneten solche Firmen wie LVMH, Novo Nordisk oder L’Oréal nicht unbedingt hohe zweistellige Wachstumsraten – und seien deshalb unter dem Radar vieler Investoren. Gleichzeitig seien sie aber auch nicht so volatil in ihrer Kursentwicklung wie andere Wachstumstitel.
Diese Firmen verfügen laut Comgest meist über mehrere dauerhafte Markteintrittsbarrieren, die ihr Geschäftsmodell schützen und ihnen Preissetzungsmacht geben. „Diese langfristig agierenden Unternehmen investieren den erwirtschafteten Gewinn und Cashflow erfolgreich in das eigene Unternehmen und nutzen so das ‚achte Weltwunder‘ (Albert Einstein), den Zinseszinseffekt“, sagt Wittet. „Sie wachsen eher im hohen einstelligen Bereich, das aber konstant über lange Zeiträume.“ Die Anlageexperten von Comgest suchen im Zuge ihres Qualitätswachstumsansatzes generell nach Unternehmen, die über einen Anlagehorizont von fünf Jahren ein zweistelliges Wachstum des Gewinns pro Aktie ermöglichen.
Welche Titel sind aber nun die Dauerläufer am europäischen Aktienmarkt? Acht Aktien mit Ausdauer sind in der Tabelle aufgeführt. Die Aktie des dänischen Pharmaherstellers Novo Nordisk, der derzeit besonders von seinen Spritzen gegen Fettleibigkeit profitiert, ist die größte Position im auf Langläufer-Aktien ausgerichteten Fonds Comgest Growth Europe Compounders. Dahinter folgt die niederländische ASML, ein Unternehmen, das wichtige Maschinen für die Halbleiterindustrie herstellt und das vom Wachstum der Chipbranche profitiert. Auch Nahrungsmittelproduzent Nestlé zählt bei Comgest zu den Top-Dauerläufern.
In einer Analyse der Dauerläufer-Aktien, die auf Gewinn, Marge und Wachstum beruht, führt Experte Kahler ebenfalls Novo Nordisk und ASML auf. Hinzu kommen Titel wie der französische Luxusgüterkonzern LVMH und der deutsche Rückversicherer Hannover Rück sowie der Rüstungskonzern Rheinmetall. Darüber hinaus dürften auch Werte wie die Deutsche Börse oder SAP mit ihrer breiten Installationsbasis zu den Dauerläufern am Aktienmarkt zählen.